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selbst wenn sie geschickt und geistreich ausgeführt werden, was man hier meistens wahrhastig nicht sagen kann.
Man sieht, diese Charakteristik ist ganz in demselben Sinn decorativ, wie die Sage und die Sprache behandelt worden ist. So werden auch Heerbann und Gottesgericht in allem einzelnen Detail pedantisch ausgeführt und ausgemalt, was aber sowenig zu einer lebhaften Anschauung verhilft, als wenn Pallas, Kemenate und andere mittelalterliche Ausdrücke angewandt werden. Denn nicht das Poetische wird hier dargestellt, sondern immer nur das Beiwerk des Costums und sogar diese ausführlichen musikalischen Schilderungen erinnern au die schlechten Nitterromane mit ihren langweiligen Beschreibungen. Man nehme den Zweikampf. Unwillkürlich denkt man an den Zweikampf im Don Jnan; wie einfach ist dort durch das Nächstliegende Motiv der Imitation in Geige und Baß eine leichte, vollkommen genügende Andeutung gegeben. Hier kämpfen die beiden Gegner anch kanonisch im Orchester, aber wie mastig elephantenkälberhaft treten sie mit Posaunen, Tnba, Fagott, Hörnern und Trompeten gerüstet auf; dazu ein furioses Motiv in den Geigen und Accorde der übrigen Blasinstrumente — gegen diese unerhörte Krastanstrengung im Orchester kann die auf der Bühne nur ein Kinderspiel sein. Vielleicht muß man, »m iu der Illusion zu bleiben, hier nur mit halbem Auge sehen, um besser hören zu könnten.
Ganz anderer Art ist die schon berührte Scene im zweiten Act, wo der Mvrgen dämmert. Es ist eine poetische Reminiscenz, daß man sich in der frischen Morgenfrühe, wenn die Thürmer von ihren, vom ersten Sonnenstrahl getroffenen Zinnen grüßend zublasen, eigenthümlich angeregt fühlt; aber es ist ein Mißverständniß, wenn man glanbt, diese Stimmung dadurch reproduciren zu können, daß man auf der Bühue vvm Thurm herab ein triviales Trompeterstück blasen läßt, wie es in Wirklichkeit geblasen werden mag. Denn die poetische Stimmung beruhte auf einem Zusammenwirken der verschiedenartigsten Umstände, von denen auf der Bühne nichts bleibt, als die Trompeten und die Trivialität. In dergleichen Zügen verräth sich der Dilettant, der allenfalls eine poetische Stimmung beobachten kann, aber sie nicht durch seiue Darstellung wieder hervorzurufen vermag. Nein decorativ ist die dann folgende Musik, welche das Wesen und Treiben im Burghof, Wasserholeu (als wenn uns die Reinlichkeit der Brabanter etwas anginge!) u. dgl. schildert, was reiu uumusikalisch ist, weshalb wir auch den Rath erhalten haben, nicht hinzuhören. Nachdem wir aus der Scylla des endlose» 0 äur in die Charybdiö der 6 Trompeten gefallen sind, geht wieder die Musik zu einer stummen Scene an: die Edlen und Stadtbewohner versammeln sich — es ist als ob man in einen Guckkasten sähe. Diese scenischen Arrangements, welche vielleicht auf sehr großen Buhnen eine Art von realistischer Illusion hervorbringen können, obgleich sie die Phantasie eines gebildeten Menschen sowenig als den Empirismus eines ungebildeten ganz zn befriedigen vermögen, haben für
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