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Pariser Brief.
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umgekehrt wäre, ist es grade die Börse, jene quecksilberne Sphinx, die dies­mal cousequeut und muthig aushält. Unbeirrt von allen Hiobs- und Freuden­nachrichten bleibt sie gelassen bei ihren Curseu und wartet, die Hände iu den Taschen, rnhig bis der Moniteur den Mund aufthnt. Warum sollten wir nicht auch dem Beispiele der Börse folgen dürfen? Warum sollten wir nicht auch warten, bis positive Nachrichten uus über den wirklichen Stand der Dinge Auf­klärung geben? Der Leser nimmt es uns gewiß nicht übel, weuu wir für eine Woche wenigstens Abschied von Omer-Pascha uud Gortschakoff nehme» und uns ein wenig in Paris umgucken.

Es bedarf wol keiner Entschuldigung dafür, daß wir mit dem Gelde den Anfang macheu. In unserm Jahrhundert und namentlich im Kaiserthnmc ist das der einzige Factor der Gesellschaft, der seine Rechte nicht verloren. Das Geld ist der moderne spartanische Staat, dem der Einzelne geopfert wird und Salomou Rothschild ist sein Lykurg. Das Geld und vorzüglich das Silbergeld ist eine so große Seltenheit geworden, daß die Bank von Frankreich sich entschließen mußte, ihre Bankscheine blos gegen Gold umzuwechselu, was eine kleine Emente hervor­zurufen droht, uud die Herren Bankdircctoren wissen nicht, ob das Gesetz, welches erkennt, daß die Bankzettel gegen esxeee umzutauschen sind, sie genugsam schützt weil die Einheit des französischen Münzfußes das Fünfsrankenstück ist. Das Cu- riosnm bei der Geschichte ist, daß vorzüglich Rothschild es gewesen, der diese Maßregel hervorgerufen. Seit nämlich das Agio ans zweiundzwauzig Franken vom Tausend gestiegen, hat dieser Finanzmann jeden Tag beträchtliche Summen in Silber aus der Bank nehmen lassen und diese nach einem kurzen, wenig kost­spieligen Rafsiniruugsprocesse als Silberbarren wieder in den Handel gebracht und großentheils an die Bank selbst verkauft. Dieses Haus hat sich in der letzten Zeit so wohl aus diese Finanzoperation eingerichtet, daß es ihm möglich geworden, jeden Tag um eine Million Franken zn raffiniren, was ihm ein täg­liches Prositchcn von 22,000 Franken verschafft, doch sind hiervon noch die wenig beträchtlichen Raffinirnngskosten abzuziehen. Das ist einfach wie das Ei des Columbus uud wie alles Geniale. Ein anderes Finanzgcnie, dessen Namen ich leider nicht weiß, hat sich durch Errichtung eines Abonnements ans Kupfergeld ein sehr einträgliches Geschäft gegründet. Er hatte nämlich die Erfahrung ge­macht, daß die meisten Detailhändlcr von Paris fast täglich wegen Mangel am nöthigen Kupfergeld in Verlegenheit geratheu. Er ging von Haus zn Haus, ließ eiu Abonnement eröffnen uud holt das Kupfergeld aus deu Provinzen, wo man ihm für Silbcrgeld Agio bezahlt, oder von solchen Geschäftshäusern, die wieder Ueberfluß an Kupfergeld habeu. Durch diese Wechsclanstalt a äowlolw hat der Mann sich in kurzer Zeit ein kleines Vermögen erworben und hat die Aussicht, bald ein steinreicher Mann zu werden. Eine andere Industrie, die zwar nicht neu, aber in der Ausdehnung, wie sie jetzt betrieben wird, neu genannt werden

Gr-nzboten. IV. 1863. 49