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Die Theater in Wien und Triest.
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hart an dem Sperrfitze stehende Kapellmeister sich fast ausschließlich nm die In­strumentalmusik kümmert. Die Ouvertüre wird auch wo sie existirt und sonst in hohen Ehren steht, wie z. B. zum Barbier von Sevilla, i» der Regel ganz weggelassen; man wird sogleich in das Stück versetzt eine dem Deutschen we­nig zusagende Sitte!

Soll ich Ihnen noch eine Beschreibung dieser grenzenlosen, an Verrücktheit grenzenden Beifallsbezeugungen machen, dieser wüthenden Bravos, dieses ewigen bi8, dis, dieses Heransrufeus, dieses Kränzewerfcus, dieser kostspieligen Monstre- bouquetö, die eine Sängerin todten konnten, wenn sie derCnstvde", der das Amt hat, die im Lanse des Benefiztages bei der Kasse eingelaufenen und Abends daselbst paraäs aufgestellten Hnldigungsbcweise im dritten oder vierten Acte nach der Hauptscene der betreffenden Sängerin aus der ProsceninmSloge des vierten Stocks herabznschleudern, nicht mit Geschick zu werfen verstände. Das muß man selber sehen, um sich zu uuscru ruhigen Theaterzuständen zurückzusehnen.

W o ch e n b e r i ch t.

Neuigkeiten der auswärtigen Literatur. Wir haben häufig Gelegenheit, bei der auswärtigen Literatur zu beobachten, wie sie eine Phase durchmacht, die bei uns gewissermaßen schon abgethau ist, wie sie aber eben deshalb, wenn sie zu unserer Kenntniß kommt, dm Eindruck von etwas Neuem hervorbringt. Bei der eng- lischeu und französischen Literatur, mit denen wir in täglich fortlaufender Verbindung stehen, liegt diese Beobachtung auf der Hand, aber auch bei den übrigen Völkern werden wir darauf aufmerksam, wenn ihre ncueu Versuche uus durch das Medium der Engländer oder Franzosen überliefert werden. So ist z, B. die neue spanische Literatur uns fast ganz unbekannt und nur von Zeit zu Zeit, wenn irgend ein französischer Kritiker uns darauf hinweist, bemerken wir, daß die Regungen des deutscheu Geistes, mittelbar oder auch unmittelbar, sich dort gleichfalls vernehmlich machen. Welches Aufsehen machten vor einigen Jahren die neukathvlischen Ideen des kürzlich verstorbenen Donoso Cortes, Marquis von ValdcgamaS! Und doch hatten wir dieselbe längst viel besser, gedanken­voller uud selbst bequemer von unserm Schlegel u. s. w. gehört. Neuerdings hat die französische Kritik einen spanischen Philosophen entdeckt, der uns noch näher steht, und dessen Beziehung zu unserer eigenen Philosophie viel deutlicher in die Augcn springt. Herr Blanche-Raffin hat die Schriften des catalonischen Priesters Don Ja'i'me Balmes ins Französische übersetzt uud mit einer biographischen Einleitung versehen. Balmes war 1810 geboren uud starb im Juli 18i8 an der Schwindsucht. Er ist ein Symptom von der Reaction gegen den Liberalismus, der zwar nicht in den Thatsachen, aber in der Bewegung der Gedanken seit der Napoleonischen Periode auch in Spanien vor­herrschte. Er begann im Jahre 1840 mit ciuer Schrift über die Einziehung der geist­lichen Güter, gegen die er sich sehr lebhaft erklärte, nicht aus eigentlich klerikalen Mo­tiven, sondern weil sie dem Geist der Nation zuwider sei. Sein Standpunkt war also ein reflcctirtcr, er schöpfte nicht unmittelbar aus seinem eigenen Bewußtsein, sondern