2«2
sein i» dem Volk und für dasselbe. Jedes positive Recht sei Volksrecht: nicht, als ob es die einzelnen Glieder des Volks wären, dnrch deren Willkür das Recht hervorgebracht wurde, vielmehr sei es der in allen Einzelnen gemeinschaftlich lebende VolkSgeist, der das positive Recht erzeuge, grade wie die Sitte und die Sprache. Die Gestalt, in welcher das Recht zunächst i» dem gemeinsamen Bewußtsein des Volks lebe, sei nicht die der abstracten Regel, sondern die lebendige Anschauung der Rechtsinstitnte in ihrem organischen Znsammenhang, und offenbare sich durch die symbolischen Handlungen. Die Tradition bewirke die stete Erhaltung des Rechts und verleihe ihm eine von dem Leben der jeweiligen Volksglieder unabhängige Daner. Die organische Fortentwickelung des Rechts finde aus innerer Kraft und Nothwendigkeit, ebenso unabhängig von Znfall und individueller Willkür, wie die ursprüngliche Entstehung, iu steter Contiuuität statt. Das Recht, als ein Theil des Volkslebens, entwickele sich mit dem Volk, dem Charakter desselben auf seinen verschiedenen Bildungsstufen sich anschließend, sich seinen wechselnden Bedürfnissen bequemend. Am freiesten »nd kräftigsten erscheine die Erzeugung, Entwickelung und Veränderung des Rechts iu der Jugendzeit der Volker, in welcher der Nationalznsammenhang noch inniger, die Lebensstellung und Bildung der Vvlksangehörigen noch eine wesentlich gleiche ist, weshalb alle an der Entwickelung des Rechts, namentlich auch in den Volksgerichten, theil- nehmen. In demselben Grade aber, in welchem die Bildung der Individuen ungleichartiger uud die Lebensstellungen verschiedener werden, werde auch die ursprünglich auf der Gemeinschaft des Volksbcwußtseius aller beruhende Nechtser- zeugnng in den Hintergrund gedrängt. Die weitere Entwickelung, Erzeuguug und Veränderung des Rechts geschehe von da an immer mehr durch besondere Organe, die Gesetzgebung nnd die Rechtswissenschaft, die aber nur dann fruchtbar sein könnten, wenn sie treu uud gcwisseuhaft aus jeuer ursprünglichen Quelle des Rechts uud der Gewohuheit uud Sitte schöpfte«.
Der Verfasser zeigt nnn, wie die natürliche Consequenz dieser Lehre zur Wiederaufnahme uud zum Ausbau des germanischen Rechts führen mußte, wie aber ein Theil der historischen Schule auf diese Consequenz nicht einging, sondern beim römischen Recht stehen blieb, so daß innerhalb der Schule selbst sich ein Gegensatz zwischen Romanisten uud Germauisteu herausstellte. Er zeigt ferner, wie die Gegner der Schnle, Fenerbach, Thibant"), Gans, keineswegs ans das
^. ,,DaS ist nicht die wahre belebende Nechtsgeschichte, welche mit gefesseltem Blick auf der Geschichte eines Volks rnht, aus dieser alle Kleinigkeiten heranspflückt ... Wie man den europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt nnd ihr Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Nath geben sollte, nur außer Europa ihr Heil z» suchen, so sollten anch unsere Rcchtsgcschichtcu, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß nnd kräftig die Gesetzgebungen aller andern atten nnd nenen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlcsnngcn über die Ncchtsverfassnng der Perser nnd Chinesen würden in unsern Stndircndeu mehr wahren juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereien, denen die Jntcstat- crbfolge von AugnstnS bis Jnstinian unterlag/'