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und Zusammenhang wird uns verschwiege». Charakteristisch ist aber ein einzelner Zug/ der uns grade durch die hineingelegte mystische Deutung in das Reich des Dämonischen versetzt. Nach der alten Sage wurde Proserpina an die Unterwelt gefesselt, weil sie daselbst einen Apfel gegessen. Die Schuld steht in gar keinem verständlichen Verhältniß zu dem daraus hervorgehenden Schicksal. Ganz ähnlich ist es mit Eugenie. Es wird ihr verboten, einen Schrank zu öffnen, in welchem ihr festliche Kleiber zum Geschenk geschickt werden; sie übertritt dieses Verbot und verfällt dadurch ihrem Verhängnis). Aber aus welche Weise das eine mit mit dem anderen zusammenhängt, davon empfangen wir auch nicht einmal eine Ahnung. Wenn wir es schon nicht begreifen, wie der König sich bestimmen läßt, das Verbaunnngödecret gegeu Eugenie zn unterzeichnen, so ist es uns vollends unerklärlich, wie jene Ervssnnng des Schranks irgend wie ein Motiv dazu hat hergeben können. So finden wir nns mitten in der Prädestinationstheorie, und dem menschlichen Zusammeuhang von Ursache nnd Wirkung entrückt. Das Motiv verfehlt hier seinen Eindruck, weil wir nicht sehen, ans welche Weise es wirkt. Es hätte aber ganz gewiß das Gemüth tragisch erregt, wenn uus über diesen Punkt ein Verständniß eröffnet wäre.
Weit freier nnd rücksichtsloser gab sich Schiller dem dämonischen Princip hin. Schon daß er überhaupt daran gewöhnt war, weniger im einzelnen zu motiviren — was Goethe ganz mit Recht, freilich nur von einem bestimmten Gesichtspunkt ans, als einen Vorzug empfindet — machte ihn dazu geneigter, das den Menschen treffende Vcrhängniß in eine lebendige Gcsammtvorstellung zusammenzudrängen, die sich der individuellen Wirksamkeit entzog. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung seine Bearbeitung des Macbeth. Die beiden Prophezeihnngen der Hexen find in der eigentlichen Tragödie Shakespeares nicht im Sinn der alten Orakel aufzufassen, sie sind vielmehr dramatische Motive, dercu Wirkung wir vollständig ermessen können. Durch die erste Prvphezeihung wird Macbeth der Ehrgeiz klar, der im stillen bereits in seiner Brust schlummerte, und eS wird ihm zugleich der Muth zu seinem Unternehmen gegeben. Durch die zweite wird er in trügerische Sicherheit gewiegt, zu rücksichtsloser Tyrannei verführt nnd dadurch endlich der rächenden Gerechtigkeit preisgegeben. Daß die Hexen die Zukunft, wenn auch iu einem verkehrten Sinn, richtig prophezeihen, ist ein acci- denteller Umstand, ans den wenigstens nicht insofern Gewicht gelegt wird, als dadurch die Freiheit des Helden irgendwie beeinträchtigt wäre. Macbeth rennt nicht blind in seine Schuld, wie Oedipns, sondern sehend. Shakespeare hat daher sehr weise aus seinen Hexen Unheilsfignren der gemeinsten Art gemacht. Sie sind teuflisch, aber nicht dämonisch. Schiller dagegen hat sie in seiner Bearbeitung zu idealisiren gesucht und ihnen dadurch eine Stellung im Drama gegeben, die ihnen nicht zukommt. Es ist das ohne Zweifel eine Einwirkung der antik-romantischen Schicksalsidee, die man sehr leicht versucht sein kann,