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lands nehmen, wenn sie u. a. jetzt über den Ehrgeiz Englands declamiren und diesen Augenblick als einen sehr passenden für Deutschland bezeichnen, nm mit Rußland in eine Koalition gegen jenes zu treten, so verdient dieses Gebahren keine Discussivn, es ist genügend, es der öffentlichen Verachtung zu überweisen. Mag ein Anderer Entschuldigungsgründe dafür auffinden, wir sehen darin die bewußte Preisgebung der wichtigsten Interessen des deutschen Volkes.
Natürlich nimmt uuter den Parteigängen Rußlands die Krenzzeitnng eine ganz hervorragende Stelle ei», hervorragend durch die unglaublichen Absurditäten, die sie dabei zu Markte bringt, und durch den Weihrauch, den sie mit devotem Enthusiasmns dem russischen Kaiser streut. Die Zwecke der Partei, welche dieses Organ vertritt, find so geartet, nm nnr in der Erniedrigung Preußens ihre Rechnung finden zu können, und sie bebt vor keiner Erniedrigung zurück, wenn dieselbe ihre Zwecke befördert. Ehe sie das Mimum rsluFimn ihres Egoismus, das russische Bnndniß, oder vielmehr den russischen Schntz cmfgibt, würde sie lieber alles aufgebe», was eine große Vergangenheit Preußen vermacht hat, alles, was ihm die Zlcknnst eröffnet.
Es scheint übrigens, daß die Krenzzeitnng ein, wenn auch schwaches Bewußtsein der Rolle hat, die sie spielt, uud diese Ueberreste von Schamgefühl sind bezeichnend für die Wahrheit des politischen Fanatismus, den sie stets znr Schan zu stellen beliebt. Denn wenn wir anch niemals durch ihr anmaßendes Anf- treten nnd ihre unklare Phraseologie uus zu dem Glauben von der geistigen Bedeutung dieser Zeitung verleiten ließen, der eine Zeitlang vorherrschend war und auch jetzt vielleicht noch bei einige» hinterpommerschen Landjnnkcrn bestehe» mag, so ist doch die traurige Konfusion ihrer Einfälle über die orientalische Angelegenheit selbst nicht durch die allerschlechteste Meinung von ihrem allgemeinen Geisteöver- mögen z» erklären. Ihre Selbstsucht ist zwar nicht unentschlossen, welche Partei sie zn ergreifen hat, aber augenscheinlich genirt durch die Erkenntniß, daß sie dies- mal in nacktester Blöße vor das Pnblienm treten muß.
Bald versichert uns die Krenzzeitnng, der erhabene Charakter des russischen Kaisers bürge für die Gerechtigkeit seiner Forderungen — die sie wahrscheinlich deshalb ohne jede nähere Erörterung für gerecht erklärt — nnd lasse den Gedanken, er werde davou abstehen, als lächerlich erscheinen. Nach dieser höchst achtungswerthe» Anschan»»g hängt also das Gleichgewicht Europas und die Unabhängigkeit seiner Staaten von dem Charakter und der Gerechtigkeit des Zaren ab. Dann räth sie mit den Airs einer unendlichen diplomatischen Überlegenheit für Preußen eine beobachtende, zu wartende Stellnng a» — a»f Basis der russische» Forderungen. Der Patriotismus und das Selbstgefühl dieser Leute raffen sich also wirklich soweit auf, daß sie uicht verlangen, Prenßen solle sofort seine Armee mobil machen nnd an den Rhein schicken, nm den Padischah znm Vasallen Rußlands machen zn helfen. Es soll vorläufig nur der russischen Poli-