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Aus Konstantinopel.
-10. Juni.
Gestern früh Morgens langte ein russisches Kriegsschiff hier an (eine Dampf- sloop), an dessen Bord sich Herr Balabine, Secretär der russischen Gesandtschaft, befand. Dieser Diplomat war am vergangenen Sonntag (S. Juni) von hier aus nach Odessa gereist, und seine Rückkehr ließ kaum daran zweifeln, daß eS sich dabei um eiue Angelegenheit von höchster Bedeutung, vielleicht gar um die Notifikation vom demnächstigen Beginn der Feindseligkeiten handelt. Die Bestürzung, namentlich in der hiesigen Finanzwelt, ward darum alsbald sehr groß. Man wollte wissen, daß alle russischen Unterthanen und desgleichen die hier und in anderen osmauischen Seehafen liegenden Handelsfahrzeuge russischer Flagge den Befehl erhalten hätten, schleunigst dieses Land zu verlassen. Endlich am Nachmittag um vier Uhr x. m. begab sich der znrückverbliebene erste Dragoman der russischen Legation, ein Herr Emanuel Argyropulos, zu Reschid Pascha, dem Pforten-Minister der auswärtigen Angelegenheiten, nach dessen Landhanse (ZM) zu Balta Liman am Bosporus. Man kennt bis jetzt noch nicht weder Gegenstand noch Ausgang der Konferenz. Indeß macht die hiesige Haute finance Miene, sie anfs schlimmste zu deuten. -Unter allen Umständen wird diese neue Sendung Rußlands mit einer derartigen Drohung verbunden sein und sie dürste als die letzte angesehen werden, welche hierher gelaugt — kurz ehe das Schwert gezogen wird.
Mit dieser Ansicht stimmt die Aussage eines Schiffscapitäns überein, der gestern Nachts im Haudelsministcrinm vernommen ward, nnd eidlich versicherte, die russische Flotte, in Stärke von 49 Fahrzeugen, im Pontns, unter Dampf und Segel gesehen zu haben.
Von der Donamnündnng kehrte jüngst ein östreichisches Dampsboot nnver- richteter Sache zurück, indem die Sulinamüudung dermaßen versandet ist, daß ein Einlaufen in dieselbe, um uach Galatz zu gelangen, sich als unausführbar erwies. Hierauf uun mag sich ciu jüugst in Umlauf gekommenes Gerücht gründen, wonach die Mündungen des Stromes bereits blokirt seien.
Was die oben erwähnte Bewegung der russischen Eöcadre anlangt, so ist sie nicht wenig beunruhigend. Wie zahlreich auch immerhin die Batterien sein mögen nnd wie groß die Geschütze in ihnen, welche die Meerenge von Konstan- tinvpel beherrschen, so ist der. Fall einer Forcirung derselben, behufs eines eoup cls mg,m gegen Stambul, dennoch keineswegs unmöglich. Die vorhandenen Vertheidigungswerke entbehren nämlich eines ausreichenden Rückenschutzes und können durch eine russische Landuug, wie mau kunstgemäß sich ausdrückt: „von der Kehle her" leicht genommen werden.
Etwa innerhalb vierzehn Tagen werden diese Uebelstände beseitigt sein; gegenwärtig indeß bestehen sie noch und muß auf Grund dessen wiederholen,
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