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Heine`s neueste Schrift.
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beständig in ihre unmittelbare Anschauung einmischte, und die sinnliche Klarheit und Farbe derselben aufhob. Sie lösten zu voreilig ihre Anschauungen in Ab­straktionen auf, und behielten daher bald nur Schattenbilder in den Händen. Auf der andern Seite waren sie doch nicht frei von den dogmatischen Vorstellungen, mit denen sie operirteu; ohne es zu wollen, und ohne iu innerlicher Warme davon durchdrungen zu sein, ließeu sie doch die Ideen des mittelalterlichen Christenthums in Augenblicken auf sich eiuwirkeu, wo sie eigentlich eiue unbedingte Freiheit der Stimmung für ihre poetischen Zwecke nöthig gehabt hätteu.

Heinrich Heine ist der Dichter, in dem sich alles das, was bei der roman­tischen Schule iu Reflexionen uud Studien aufgegangen war, in unmittelbarer Lebendigkeit krystallisirt. Der Umfang seiner idealen Anschanuugeu ist eben so unbegrenzt, aber sie gewinnen bei ihm eine wahrhaft blendende sinnliche Klarheit, und auf der andern Seite ist seine Freiheit von den dogmatischen Voraussetzungen nicht blos eine eingebildete. Er hat von sämmtliche» Götterbildern der alten und neuen Zeit, Christus nicht ausgenommen, in seinen zerstreuten Schriften einzelne überraschend schone Züge aufgestellt; und er hat auf der andern Seile keinen Anstand genommen, seine eigenen Heiligenbilder mit der unbefangensten Ironie wieder auszulösen. Außerdem war die Bildung der Zeit, in der er aufgewachsen war, so uugründlich uud leichtfertig er sie sich auch aueiguete, doch viel breiter und tiefer, als diejenige in den Zeiten der Romantiker. Schon hatte man-die indische, die nordische uud altdeutsche Säge durchforscht uud eine Fülle anschaulicher Details zusammengestellt, die dem Dichter eine weit bequemere Grund­lage boten, als die blassen, abstracten uud etwas sentimentalen Phautasiebilder, die Schlegel zuerst entgegentraten.

' Aber anch Heine hat es immer mir zu einzelnen Anläufe» gebracht. Der Grund möchte theils iu dem Maugel au Compvsitiou zu suche» sei», der sich doch als, ein orgauisches Gebrecheu in seiuer künstlerischen Natur herausstellt, theils iu seiner raillirenden Manier, die mit der Schcn zusammcuhäugt, sich auf einem wahren und bleibenden Gefühl ertappen zu lasscu. Diese Manier verführt ihn zuweilen geradezu zu Abgeschmacktheiten, z. B. in der schönen Ballade vom Tauu- häuser, wo er im zweiten Gesang eine bezaubernde Schilderung von der Leiden­schaft giebt, aber dann sich plötzlich daran erinnert, daß es ihm doch übel an­stehen würde, so lange ernsthaft zu bleiben, und uns daher im dritten Gesang mit einer Sündfluth vo» Albernheiten überschüttet.

Heine's neueste Schrist, die zuerst französisch iu der Revue de deux moudcs, dann deutsch in den Blättern für literarische Unterhaltung erschienen ist,die Götter im Exil", beschäftigt sich wieder mit diesem Lieblingsgegenstand seiuer Phantasie. Sie stellt uns die griechische» Götter, die durch deu Sieg des Christen­thums von ihren Throneu gestürzt waren, in ihrer Verbanuuug bei deu Barbareu dar, w0 sie sich zum Theil iu die lächerlichsten Verkleidungen bergen mußten,