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darf, regelmäßig aus, um seine Verachtung gegen den Parvenu auszudrücken. — Der Schluß der Schicksale Murat's ist nicht sehr glücklich in den Zusammenhang der Begebenheiten verwebt, und ziemlich nachlässig dargestellt, dagegen ist die Schilderung des neu aufwachenden realistischen Fanatismus und der finstern Blutgier, mit welcher derselbe auftrat, nicht mir äußerlich glänzend, sondern diesmal auch mit warmem Herzen dargestellt, und wir können ganz mit dem Schriftsteller sympathisiren.
Der sechste Band, in dessen Komposition, wie in der der beiden folgenden Theile, sich eine große Nachlässigkeit, eine gewisse Ermüdung ausspricht, beginnt mit den politischen Processen gegen die abgefallenen Generale. Einzelne Züge, die Lamartine besonders aus dem Proceß des Marschall Ney mittheilt, sind von einem ganz eigenthümlichen Interesse. Bekanntlich suchten die Vertheidiger des Marschalls zuletzt deu Grund gegen das Gericht geltend zn machen, daß er eigentlich kein Franzose wäre, worauf sich der Marschall mit Entrüstung erhob und diese Ausflucht zurückwies. Wir erfahren jetzt, daß diese Scene eine nicht blos vorher verabredete, sondern vollständig auswendig gelernte Komödie war. Die Franzosen werden übrigens durch eine solche Entdeckung gar nicht verstimmt, sie sind zu sehr an eine theatralische Auffassung aller Zustände gewöhnt. — Die kleinen Intriguen der einzelnen Persoueu, die sich der höchsten Gewalt zudrängen, und ihr Verhältniß zu den Leidenschaften des Tages ist wieder sehr gnt geschildert, nur fehlt der Charakteristik der neuen Ministerien etwas sehr Wesentliches; man erfährt wol, wie sie sich jenen Leidenschaften und Stimmungen gegenüber verhalten, aber nicht was sie für das eigentliche bleibende Interesse des Landes thun. Darum hat z. B. die Schilderung von Männern, wie Decazes und Richelieu, so viel Details vou ihnen angeführt werden, doch immer etwas Blasses und Unbestimmtes. Zum Theil liegt das freilich auch in dem Stoss, denn jene Männer beschäftigten sich in der That weniger mit der materiellen Politik, als z. B. in England denkbar wäre; aber es giebt doch immer einige Momente, an denen man auch diese Seite der öffeutlicheu Thätigkeit charakterisiren ^ann, z. B. die Finanzverwaltung, und über diese sollten wir von einem Mann, der doch selbst eine Zeitlang im Staatsleben thätig gewesen ist, wol eine nähere Auskunst erwarten dürfen. Aber wir erfahren darüber nichts, die Palastintrignen nahmen feine ganze Aufmerksamkeit iu Anspruch. — Eben so ungeschickt ist es, daß er bei Gelegenheit der Ermordung des Herzogs von Berry sich wieder den elegischen Erinnernngeu seiner realistischen Jugend überläßt; statt eines ernsten Urtheils giebt er uns weiche, thränenreiche Phrasen. — Ganz nachlässig ist daö Schlnßcapitel gearbeitet. Zuerst werdeu wir iu die geheimen Verschwörungen in Frankreich eingeführt, die wir doch erst im folgenden Bande genauer kennen lernen; dann geht der Verfasser auf die allgemeine Aufregung über, die sich damals über ganz Europa verbreitete, uud erzählt bei der Gelegenheit gauz unpassender Weise