Beitrag 
Historische Hausbibliothek.
Seite
168
Einzelbild herunterladen
 

168

Hausbibliothek aufgenommen ist, und die wir seiner Zeit besprochen haben. Das gegenwärtige Buch ist ein Muster einer darstellenden Monographie. Merim^e hat eine seltene Kunst, die Localsarbe der geschilderten Zeit, die Sitten, die Charaktere u. s. w. uicht durch breite Ausführung, sondern durch einfache aber kräftige Striche so herauszutreiben, wie man es sonst nur bei W. Scott gewohnt ist. Dabei ist er streng und gewissenhaft in seinen historischen Forschungen; er ist weit entfernt von der Neigung, die man zuweilen selbst bei den besseren französischen Historikern antrifft, die Lücken in dem quellenmäßigen Wissen durch Phantasie und Rhetorik zu ergänzen. Er hat es nicht unternommen, das Dunkel, welches die Vorgeschichte des merkwürdigen Abenteurers verdeckt, aufzuhellen; er weist nur von alleu bisherigen Hypothesen nach, daß sie falsch sind. Seine eigene Vermuthung, daß Demetrius aus der Ukraine stammt, will er selber nicht als Gewißheit hinstellen; doch sprechen viele Gründe dafür.Eine Koscckensiet- sche, eine kleine Republik von kriegerischen Nomaden, worin Beredsamkeit, der Muth und die List zum Oberhaupt erhoben, war für einen Prätendenten eine bessere Schule, als ein Jesuitencollegium. Man wird bei dieser Hypothese viel­leicht einige Schwierigkeit finden, die Art von so zu sagen classischer Erziehung, welche Demetrius erhalten zu haben scheint, zu erklären. Es ist z. B. gewiß, daß er geläufig schrieb, was zu jener Zeit nur wenig Kosakenatamans hätten thun können, und seine Schriftzüge sowol im Russischen, wie im Polnischen, ver­künden eine geübte Hand. Demetrius gestand aber in seinen Manifesten ein, daß er eine Zeit lang, unter einer Mönchskutte verborgen, in einem Kloster gelebt habe, woraus man schließen kann, daß er zuerst zum geistlichen Stande bestimmt gewesen sei, und in Folge davon Lesen nnd Schreiben gelernt habe... Es kam zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts nicht selten vor, daß der Schul­ruthe und des theologischen Unterrichts müde Studenten der Universität Kiew ihre Bücher bei Seite warfen, um unter den Saporagen, deren abenteuerliches freies Leben für ihre junge Phantasie verführerischer war, ihr Glück zu suchen. In jenem großen Feldlager von Flibustiern, welche im beständigen Kriege mit der Gesellschaft lebten, fanden Russen wie Polen, ruinirre Edelleute wie ent- laufene Mönche, ihren Herren entflohene Leibeigene wie Geächtete von allen Grenzen her, eine Freistätte. Von dieser Art waren vielleicht die frühesten Abenteuer des Demetrius, als er zuerst seine unbekannte Familie in der Hoff­nung verließ, dereinst Kosakenataman zu werden. Dann zeigt ihm sein beob­achtender Geist den Haß, welchen die Russen gegen ihren Herrscher hegen, und die unter dem Schein der Ordnung nur schlecht verborgene Schwäche der Ne­gierung Boris Godunow's. Er vernimmt die Anklagen des Volkes, welches dem Zar den gewaltsamen Tod des Sohnes Iwan's schuld giebt, und zu gleicher Zeit die Erzählungen von Reisenden, die den Prinzen von Schweden, welcher den Dolchen seiner Feinde so oft entronnen war, nach seiner Ankunft in Rußland