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wird sich sicher nicht an diese Aufgabe machen. Gleichwohl könnte eine fleißige Sammlung und gewissenhafte Verarbeitung des vorhandenen Materials eine Darstellung der bisherigen Lausbahn des Kaisers der Franzosen geben, deren Brauchbarkeit und relativer Werth Anerkennung finden dürfte. Die vorliegende Schrift, so anspruchsvoll der Titel ist, den sie sich giebt, besitzt nun freilich nicht im Entferntesten die erwähnten Eigenschaften. Obwohl der unbekannte Versasser erklärt, „daß sie die Berechtigung ihres Erscheinens m sich selbst trage" und das Publikum bittet, sich zu überzeugen, daß sie „das Resultat ernster Studie» und von einem andern, als dem gewöhnlichen Broschürenstandpuukte geschrieben sei", so müssen wir, um der Wahrheit die Ehre zu geben, gestehen, selten ein Buch zur Haud geuommen zn haben, das weniger Berechtigung zum Erscheinen besessen und eiuen völligeren Mangel an jedem Studium gezeigt hätte, und den Standpunkt der Schrift von dem gewöhnlicher Broschüre» nur darin abweichend finden, daß er in der That noch tief unter deren vulgairem Niveau ist und es sich zur alleinigen Ausgabe macht, einen Qualm der oberflächlichsten und schlecht begründetsten Lobhudelei zu verbreiten. Das Material ist in der willkürlichsten Weise zusammengewürfelt, zuweilen mit novellistischen Anläufen eingeführt, unwichtige Docn- mcnte mitgetheilt, wichtige kaum erwähnt. Die Jugeudjahre Louis Napoleons und die verunglückten Versuche von Straßbnrg und Boulogne sind mit retrospectiver Glorie verherrlicht, die Epoche seit seiner Erhebung zum Präsidenten mit den dürftigsten und lückenhaftesten Notizen und den nichtssagendsten Raisonnemeuts abgefertigt, als Schluß seine Vermählnng mit Auhänfnng alles wahren und unwahren Zcitungsklatsches erzählt. Der Versasser verwahrt sich in der Vorrede, keine Geschichte Frankreichs liesern zu wollen — und dieser Verpflichtn»«; wenigstens ist er treulich nachgekommen — „die fände man in jeder Zeitung." Wir bezweifeln jedoch, daß er sie auch nur darin gesunde» hat, denn wer mit der Stirn des entschlossenste» Schmeichlers könnte —- bei der geringsten Kenntniß — z, B. zu behaupten wagen, „daß schon im Sommer 1832 die Häupter der verschiedensten Parteien — der Legitimsten, Orlcanisten und Republikaner — um Louis Napoleon versammelt gewesen seien," während es notorisch ist, daß mit Ausnahme zweier Legitimsten, das neue Regime keinen Mann irgend welcher Farbe von wirklicher Bedeutung zu sich herüberzuziehen vermocht hat. In welchem rosenfarbenen Lichte alle präsidentiellen und kaiserlichen Acte vor, während und nach dem Staatsstreiche dargestellt werden, kann man sich hiernach denken. In einem Nachwort versichert der Verfasser, wie es scheint, um die Leser zu beruhigen, daß, sollte Louis Napoleon Frankreichs natürliche Grenzen wiederherstellen wollen, keine Feder energischer, als die seinige, sich gegen ihn kehren werde. Es ist gewiß sehr tröstlich zu erfahren, daß die Integrität Deutschlands auf den Schutz dieser mächtigen Feder rechnen darf. — Wir würden übrigens kein Wort, geschweige denn so viele an ein Buch, wie dieses, verloren haben, geschähe es nicht, um einer Verpflanzung jener traurigen Höflingsliteratur, womit jetzt nach Unterdrückung der Presse der französische Markt überschwemmt ist, »ach Deutschland ihr Recht angcdeihen zu lassen. Ob uud 'in wie weit in Frankreich dieser bonapartistische Weihranch in Prosa und Versen, mit dem die schwüle Luft des Despotismus von dienstbereiten Scribcnten geschwängert wird, das öffentliche Urtheil über Recht und Unrecht, über Ehre und Apostaste zu trüben vermag, können wir nicht entscheiden, bei uns dürften solche Versuche einen dem beabsichtigten entgegengesetzten Erfolg haben, und mag man uns daher damit verschonen.
Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur lcgitimirl: F. W. G r ini o iv. — Verlag von F. L. Herl'ig
m Leipzig. -Druck vvn C. E. Elbcrt in Leipzig.