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Wochenbericht.
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wollte; die Antragsteller wünschten offenbar die Besorgniß auszuschließen, daß auf die Mitglieder des Ausnahmegerichts durch die Hoffnung auf Beförderung eingewirkt werden könnte, eine Hoffnung, die beiden Mitgliedern des höchsten Gerichtshofs weniger Platz greift. Dieser Antrag zeigte nur, daß das Centrum sich in einer unklaren und kläglichen Schwebe zwischen schwächlichem Vertrauen und schwächlichem Argwohn befand, und w"ar sowenig geeignet, die Uebel­stände des Gesetzes zu beseitigen, daß die Minorität durch den Abg. Wentzel erklärte, sie könne sich für dieses Amendement nicht interessiren und werde bei ihrem Vorsatz beharren, ihre Hand nicht auf dieses Gesetz zu legen. Nach der Abstimmung legte die Linke eine Motivirung ihres Votums auf dem Bureau der Kammer nieder.

Die Wirkungen der neuen Schöpfung zu prvgnosticiren, wäre nur dann möglich, wenn man sich offen und unbefangen über den Zustand unsrer Ge- rechtigkeitspflcge auslassen und die vielfachen Beziehungen bloßlegen dürfte, durch welche die Gerichte unbewußt und unmerklich in eine bestimmte Richtung gedrängt werden. Aber es giebt in Preußen zwei Ketzereien, die nie verziehen werden: jeder, auch der leiseste Zweifel an der Unvergleichlichkeit unseres Heers, uud jeder Zweifel an der Unvergleichlichkeit unsrer Gerichte. Die Empfindlich­keit in diesen Fragen ist leider nicht eben so nützlich, als sie ehrenwerth ist; aber sie ist vorhanden, und wir würden nur ein nützloses Aergerniß geben, wenn wir sie ignorirten. Auch die Entwickelung, die in der Bildung eines besondern politischen Gerichtshofes einen prägnanten Ausdruck fand, wird sich vollenden zum definitiven Siege des Schwurgerichts.

Ich beschränke mich darauf, hervorzuheben, daß sich bei dieser Gelegenheit gezeigt hat, wie die polizeiliche Anschauung der Dinge auch auf das Justiz­ministerium immer größern Einfluß gewinnt. Die Gründe, welche von den Vertheidigern des Gesetzentwurfs vorgebracht wurden, waren so geartet, daß man unwillkürlich in die Vorstellung gedrängt wurde, es handle sich eigentlich um eine einheitliche Organisation der Polizei; man kann sie unverändert für eine Centralisation der Polizei geltend machen, und mit viel besserm Rechte. Andere Spuren derselben Einwirkung zeigen sich in dem jetzt sehr oft erhobenen Einwände des Competenzconflictes, wenn von Privatpersonen der Schutz der Gerichte gegen polizeiliche Maßregeln angerufen wird. Das Ministerium des Innern entfaltet schon längst in seiner legislatorischen Thätigkeit den Charakter eines reinen Polizeiministeriums; selbst Gesetze, in denen unzweifel­haft ein schöpferisches Moment liegen muß, wie die Gemeindeordnungen, tragen überall das deutliche Gepräge polizeilicher RePression. Das Handelsministerium ist durch das Concessionswesen in Gewerbesachen, und das Postdebitswesen in Preßsachen, das Cultusministerium durch die Dissidentenangelegenheit ebenfalls in diesen verhängnißvollen Kreis hineingezogen worden. Dieselbe Richtung ist nun in diesen Tagen durch die endlich bewerkstelligte Centralisation der Polizei mächtig gefördert worden; im Ministerium des Innern ist eine oberste Polizei- > Direction gebildet und Herrn v. Hinckeldey übertragen worden, mit der Be- fugniß, im Auftrage des Ministers des Innern Verfügungen an alle Polizei­behörden der Monarchie erlassen zu dürfen. Sie sehen, daß diese Entwickelungs­phase sehr rasch durchgemacht wird. Ob sie gute Folgen zurücklassen wird, ist eine andre Frage.

Ans England. Wer Boz's David Copperfield gelesen hat, wird sich an die rührende Lobrede errinnern, welche Mr. Spenlow, der Vater der reizen­den Dora, den DoctorS-Commons hält, und welche mit dem prophetischen Axiom schließt:Legt Hand an die Commons, und das Vaterland geht zu Grunde!"