Beitrag 
Wochenbericht.
Seite
471
Einzelbild herunterladen
 

471

Beifall belohnt. Wie da die Tugendhelden und Heldinnen mit Bangen nnd Herzklopfen durch das Purgatorium der sieben Acte verfolgt werden! Wie da der Bvsewicht mit dem ganzen Ingrimm des weiblichen und männlichen Sittlichkcitsgefühles niedergedonnert wird! Sie erlassen mir es, Ihnen die Geschichte zu erzählen, es genüge Ihnen zu wissen, daß unsre Helden erschossen, ertränkt, von den schwärzesten Cabalen sest umspon­nen werden und doch am Ende unversehrt glücklich in die rosigen Gefilde der Freund­schaft und Ehe einziehen, daß Einem ordentlich das Herz wackelt vor Freude und Zufriedenheit. Die eine Hauptheldin (wir haben »deren zwei) macht sogar zwei Ehen durch, ohne Einbuße an ihrer Tugend und Liebe. Diese Bigamie aus Mutterliebe und Hochfinn ist vollends ein Prachtstück der dramatischen Boulevardphantasie. Sollte ich Ihnen den Mund wässerig, gemacht haben , so diene Ihnen zur Kunde, daß der fran­zösische Kutscher wahrscheinlich die Tour durch ganz Deutschland machen dürfte, und Dank sei es den Eisenbahnen, bald und schnell genug für jegliche Ungeduld. Bonchard kennt sein Publicum, er foltert und martert es nach Belieben ein halb Dutzend Aufzüge hin­durch, das Publicum läßt sich von ihm Alles gefallen, denn es weiß, Bonchard ist aus der Schule von Moliörc's Magd und ist patentirt sveo görsntiö äu gouvernewsitt für glückliche Ausgänge. Friedrich Lemaitre stottert seine zahnlosen Phrasen im Tacounet der Variötss her. Das ist ein unbedeutendes Machwerk und verdient keiner weitern Würdigung. Wir wollen hoffen, daß George Sand's Genie die Reste von Lemaitre's Talent wach blasen werde, und daß die oberen Boulevards ihn das alte sichere Terrain wieder finden lassen. Im Gymnase gefällt ein ConvcrsationsvaudevilleDer Sohn vom guten Hause" ausnehmend. Der Verfasser ist Bayard, und diesmal ganz Bayard ohne Tadel und Makel, das heißt im französischen Sinne. Ein üls äs ismills wird Schulden halber gemeiner Soldat wo wird man nicht Schulden halber, 'nach Umständen, auch Kaiser verliebt sich in eine reiche Wittwe, macht ihr im Civilkleidc ganz reglements­widrig den Hos, schlägt sich noch reglemcntswidrigcr mit seinem Nebenbuhler, der zugleich sein Obrist ist, er wird verwundet, ist nahe daran, erschossen zu werden, aber Dank sei es der Großmuth seines weichherzigen Obrist, er heiratbct seine Geliebte. Das nennt er Großmuth! mochte Scribe sagen, und es ist auch möglich, daß der pfiffige Obrist blos eine Veränderung der Strafe für den Subordinationswidrigen in der Erfüllung seiner Wünsche gesehen. Das ist das ganze Stück aber wie wird das gespielt, mit welcher Vollendung im Einzelnen, mit welcher Uebereinstimmung im Ensemble Gute Schauspieler haben die Deutschen auch, aber gute Schauspielergesellschaften nur die Franzosen. Sogar das Odeon hat endlich einen Erfolg zuwege gebracht, post tgnta äisorimina rerum. Henri Meunier, der Schauspieler, Schriftsteller und Zeichner, hat im Joseph Prndhvmme die Jncarnativn der süffisanten, dnmmen, komischen und glück­lichen Bvurgcosie gezcichuet und einen bleibenden Charakter geschaffen. Wir wollen ein­mal bei Gelegenheit auf dieses Stück zurückkommen. Im IlrvlUre kranxais wird Sulli- van gegeben mittelmäßig; dieses Lustspiel wird erst gefallen, wenn man sich über­zeugt haben wird, daß Ponsard's erwartete Komödie noch schlechter ist. Die komische Oper zehrt am Pvre Gaillard von Nibcr und verspricht eine neue Oper von Adam und Scribe. Die große Oper zieht durch die Wiederaufführung von Rossini's Misere. Die italienische Oper zieht gar' nicht. Nächsten Dienstag soll die Louisc Müller zur Auffüh­rung kommen. Die Cruvclli ist das Factotum der Saison, und das sagt Alles. Con­certe haben wir noch keine zu überstehen gehabt aber das wird schon loögehen.