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sehr reichliches Material sür's Nachdenken geboten wird, daß aber die zu große Allgemeinheit der Gesichtspunkte überall störend einwirkt. Wir wollen hier nur auf einzelne Umstände aufmerksam machen. Auch wir halten die Vereinigung der gleichen Bcrufs- stände zu Korporationen, damit der Einzelne sich nicht atomistisch verliert, so wie die Vertretung dieser Korporationen zunächst in der Gemeinde und dem Kreis, dann indirect in die höheren Regionen hinauf sür etwas sehr Wünschenswertes; aber eine solche Einrichtung kann nur auf das Allerbchutsamste und Liberalste durchgeführt werden. Eine strenge Zunftordnung, wie der Verfasser es will, von oben her dccrctiren, wäre ein viel tollerer rcvolutionairercr Act, als irgend eine Charte Waldcck, wenigstens sür die Länder, in denen bisher Gewerbesrciheit herrschte. Es würde einfach zur Folge haben, daß die Hälfte der davon betroffenen Bevölkerung nach Amerika auswanderte. Schon jetzt fühlt sich der Einzelne durch den Staat nach allen Seiten hin genirt; wenn nun eine zweite, viel ärgere Beschränkung plötzlich einträte, so würde das eine Verstimmung hervorrufen, deren Folgen gar nicht zu berechnen wären. Auf der andern Seite wird es den gegenwärtigen Regierungen auch nicht im geringsten einfallen, die Gerichte, die Polizei, das Schulwesen, ja die ganze Verwaltung und die Wahl der Obrigkeiten den Kreis- und Provinziälständcn zu überlassen. Da also an eine unmittelbare Einführung der Zunft- vcrfassung vorläufig nicht zu denken ist, da ans dieser aber das ganze System des Verfassers beruht, so wird er sich wol damit begnügen müssen, sein Princip als leitenden Gedanken künftiger allmählicher Reformen festzuhalten, und da mittlerweile der - Staat nicht stillstehen kann und den Interessen des Tages gleichfalls Rechnung getragen werden muß, sich mit irgend einer der bestehenden Parteien zu verständigen. Es wird das um so nothwendiger sein, da wenigstens gesetzlich in Preußen die Veränderungen in der Kreis- und Communalverfassung nur mit Bcistimmung der Kammern vorgenommen werden können, und da Herr Winter doch wol nicht der Ansicht sein wird, der Zweck heilige die Mittel, und um einer guten Staatsorganisation willen könne man allenfalls auch Recht und Gesetz mit Füßen treten.
Nur mit Bedauern haben wir unsre Ausstellungen so scharf ausgesprochen, denn wir wünschen dem Werk ein allgemeines und eingehendes Studium, namentlich auch von Seiten unsrer Partei, die gerade in der Frage der Kreis- und Provinzialvertre- tung sich nur zu sehr in einseitige politische Richtungen hat treiben lassen. Wer auch durch das Buch nicht überzeugt wird, Belehrungen wird er jedenfalls daraus schöpfen.
Auf die Ansichten über die Neugestaltung Deutschlands gehen wir nicht ein. Es sind Ideen in's Blaue, wie sie im Jahre 18i8 zu Hunderten aus der Erde hervorstiegen. Im Wesentlichen stimmen sie mit den großdcutscheu Doctrincn der Herren v. Schmerling und Wuttke, und werden daher den östreichischen Politikern sehr bequem sein, die klug genug sind, sich dnrch die Grobheiten, die gelegentlich auch ihnen gesagt werden, nicht irren zn lassen. Die Lcstreichcr sind sehr concrete Politiker, den einen Doctrinair Hetzen sie nach der einen Richtung, den andern nach der andern; ob diese Doctrinairs unter einander übcreinstimnrcn, ist ihnen sehr gleichgiltig. Sie schätzen das Schas wie den Wolf, wenn sie eö nur gebrauchen können.
, Französische Literatur. — Von Arsvne Houssayc ist die dritte Auflage der Gedichte erschienen. Er steht unter allen Dichtern Alfred dc Müsset am nächsten. Seine Poesie enthält jene Mischung von äußerstem Materialismus und Spin-