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Marie Antoinette, von Paul Delaroche.
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erlaubt, durch die landschaftliche Stimmung mehr als durch die Actiou uud den Ausdruck der Personen die Situation zu schildern, noch ist es erlaubt, einen Theil der agireudeu Persvueu als bloße Staffage zu verweudeü. Eine solche Poesie des EontrasteS impvuirt auf den ersten Augenblick, aber sie bringt keinen befriedigenden Eindruck hervor; denn wenn man sich auch keine Rechenschaft darüber giebt, so fühlt man doch instinktartig heraus, daß hier Mittel ange­wandt worden sind, die nicht'in die Natur der Kunstgattung gehören. Ja " die angewandten Mittel treten in mancher Beziehung der Deutlichkeit des beab­sichtigten geistigen Eindrucks entgegen. So sind z. B. die Haare der noch jun­gen Königin durch das schwere Leiden frühzeitig gebleicht; bei dem seltsamen Lichteffect aber sehen sie fast wie gepudert auö. Ebeuso weis; man nicht, wie viel man von der Blässe im Gesicht der Königin ans ihre Lage, nnd wie viel man ans die grünliche Beleuchtung schieben soll. Auch hier ergiebt sich eine Wahrheit,-die sich in allen Fallen bestätigen wird: daß complicirte, ans ver­schiedenen Gebieten hergeholte Mittel die Wirkung beeinträchtigen, statt sie zu fordern.

Wenden wir nns uun^zn dem Ausdruck im Gesicht der Königin. Er wird nicht allgemein befriedigen, weil man sich gewöhnlich den Ausdruck des Märty- rinms anders vorstellt. Aber abgesehen davon,, daß die sehr scharf prononcirte Habsbnrgische Physiognomie anch dem Ausdruck der bestimmten Empfindung ein nothwendig bedingtes Gepräge aufdrückt, mnßte hier der historische Charakter der Heldin festgehalten werden, nnd wir finden, daß das mit Glück geschehe» ist. Marie Antviuette war keine Heilige, keine verklärte Dulderin, sie war ein stolzes energisches Weib, das durch äußere Gewalt unterdrückt, aber geistig nicht gebrochen werden konnte. Jbr Seelenleiden, die Folgen der langen Kerkerhaft, die tödtliche Erniüdnng des nächtlichen Verhörs drücken sich nur in ihrem ange­schwollenen und halb erloschenen Ange aus. Der majestätische Gang, der fest zusammengepreßte Mnnd, die gelinde anschwellenden Nasenflügel und die voll­ständige Abwesenheit aller Regung in den-Gliedern, das Alles ist eine stumme Sprache der bis zur Gleichartigkeit gesteigerten Verachtung gegen den willkür­lichen blutigen Richtersprnch nnd gegen die wahnsinnigen Beschimpfnngen der Menge, die beredter ist, als wenn sie durch eiu auch noch so leises Zeichen deö Abscheues verstärkt wäre. Sie hat mit der Welt abgeschlossen, aber nicht als die bußfertig Sterbende, die auch in dem ungerechten Sprnch eine göttliche Fü­gung erkennt uud vor ihr sich beugt, sondern als die Königin, die in ihrer Majestät durch äußerliche rohe Eingriffe nicht angetastet werden kann. Wie eine Nachtwandlerin geht sie ihren letzten Gang; was ihre Seele im Stillen bewegt, hat sie nur mit sich und ihrem Gott abzumachen. Man mag gegen diese Auf­fassung vom idealen.Standpnntt einwenden was man will, so viel wird mau zugeben, daß sie historisch wahr und vollkommen deutlich ausgedrückt ist.