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Die Appenzeller Landsgemeinde. 2.
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Kritiken durch die Mengen nnd man konnte manchen Blick in die inneren Lcbens- gestaltungen dieses Berglandes thun, ohne nach der, unsres Erachtens sehr unzu­verlässigen Art mancher Touristen die Leute inquisitorisch auszufragen und von jeder Antwort mit gewichtiger Miene Akt zu nehmen. Wer dies thut, wird sicherlich überall, am bestimmtesten jedoch in Appenzell Jnnerrhoden eben nur solche Ant­worten erhalten, wie man sie jetzt für den Ausländer, für denDütschen" passend erachtet. Dies nicht etwa aus Scheu vor der Oeffentlichkeit, sondern mehr aus einer gewissen Geringschätzung des Fragers, der ja doch mit seinen fragmentari­schen Erknndiguugen und der ihm anerkennbaren fremden Auffassung der Dinge keine wirkliche Einsicht, keine klare, unbefangene Anschauung gewinnt. Zudem spötteln die Appenzeller gern, über den Fremden, er paßt ihnen weder in ihre Bergwelt, noch auch in ihr alltägliches Leben. Sie haben ferner einen wirklich überaus feinen Instinkt dafür, ob's Jenem eben nur um Befriedigung einer objectiven Wiß­begier zu thun ist, oder ob er ein näheres Interesse an ihnen und ihrem Leben nimmt. Deshalb muß man hier solche zufällige Belehrungen und Erfahrungen über die Innerlichkeit der Zustände viel aufmerksamer hinnehmen, als Alles, was man etwa durch directe Fragen herausbringt. Die widerlich berührenden Bitten um die Landwaibelstelle als um eine melkende Kuh, machen augenscheinlich auch auf den stimmfähigen Appenzeller einen höchst geringen Eindruck. Er weiß es recht wohl, daß der Landwaibel in jedem Jahr an 1000 Gulden verdienen kann, aber da derselbe auch bei den einzelnen Gemeiudegliedern die Kost hat, so will er für das immerhin heikliche Amt Niemanden, dem er etwa zutrauen könnte, er bevorzuge aus unlautern Gründen nnd Rücksichten den Einen nnd Andern. Er kennt schon deren, die eben wieder darauf spekulireu. Also nicht etwa vor­zugsweise persönliche Motive, sondern das wirklich eingewachsene Bewußtsein von der Gleichberechtigung Aller drängt ihn zur Stimmabgabe snr Denjenigen, welchen er in Betracht der allgemeinen Verhältnisse für den Tüchtigsten erachtet. Trotz der flehendlichen Bitten und kläglichen Geberden der des Schreibens und Lesens Unkundigen, erhoben sich bei ihren Namen ans Tausenden kaum -10 12 ver­wandte oder sonst engbefreundcte Hände. Auch für den vorigen Landwaibel, den man vielseitig lobte, der aber 6 Jahre im Amte gesessen, stimmte nur eine kleine 'Zahl. Nun aber wurden die Stimmen getheilt; sechs zähe Scrutinien konnten kein absolutes Mehr entscheiden. Mit immer lebhafteremHni" fuhren die Hände bei den einzelnen Wahlen empor; immer lauter, immer dringender erscholl das Habet" (hebet, haltet hoch), je zweifelhafter die Blicke des Landammanns, Land­schreibers und Landwaibels das Mehr oder Minder der zustimmenden Hände, erwogen. Endlich blieben noch drei Kandidaten übrig und vier Hauptleute mußten ans die Tribune beschieden werden, um die Abzahlung zu unterstützen, bis die­selbe endlich zn einem zweifellosen Ergebniß führte.

Rascher ging die Besetzung der Landschreiberstelle. Ein Contingenthaupt-