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Lust durchschritten, ist die wirkliche Entfernung noch 6—7 Stunden. Dennoch scheidet sich jetzt schon der von den St. Galler Anhöhen wie eine einzige Bergwand, nur mit queren Zerklüftungen anzuschauende Felsenkamm in drei hintereinander geschobene Züge, zusammenhängend zwar, aber mehr dnrch seitliche Brücken, als durch gemeinsamen Höheustrich. Man möchte glauben, als einst vulkanische Mächte hier die Felskolosse durch die weichere Erdrinde aus dem Innern empordrängten, da sei der obere Grat der gesammten Hebungsmasse seiner Länge nach in drei Grate auseinander geborsten und der Kulminationspunkt der- von unten nach oben treibenden Kraft habe nicht an der Stelle gelegen, wo jetzt die höchste Säntisspitze (in gleicher Weife vom sogenannten Oehrli seitlich abgespaltet, wie der ganze Gebirgszug seiner Längsrichtung nach drei- nud vierfach gespalten ist) jn die Wolken steigt, sondern dort, wo zwischen Sigleton und eigentlichem Säntis in einer Hochebene von 3,030 Fuß der Seealphin der Sitter ihren Ursprung giebt. Dies freilich sieht man wol erst, weuu man die Berge selbst' besteigt, am überzeugendsten von dem 4,500 F. erhabenen Wildkirchli an der Ebcnalp. Dagegen erkennt man jetzt einen Irrthum, welcher aus weiterer Ferne allerdings den romantischen Anblick des SäntisfelsengeklüfteS als Gegensatz zu der ringsum wogender Ueppigkeit des Landes erhöhte, dort schien es nämlich, als entsteige die mehr als 5000 Fuß (selbst aus der mehr als 2000 F. erhöhten Umgebung) aufstarrende Felsmasse des Säntis völlig unvermittelt dem weichern Land. Die Auen, . Wälder , Alpwicsen, die Menschenwohnungen schienen an ihrem Fuße plötzlich abgeschnitten. Jetzt dagegen erkennt man die optische Täuschung. Weichere Erdwälle, von Wald und Graswuchs, dann noch von Haidckraut besetzt, legen sich wol uoch an 2000 Fnß hinauf, die unterirdischen Kanten und Fundamente des Felsens verhüllend. Erst dann streckt sich dieser nackt, senkrecht, zerklüftet ans der Hülle, doch immer wieder terrassenförmig abgestuft, auf der Terrasse mit dünucn Erdschichten belegt, bis oben seine Schluchten nur bleibender Schnee erfüllt, einzelne wenige Gräser sich ängstlich an den Sonnenstellen des Gesteins anklammern, und auf die äußerste Spitze der Mensch noch eine steinerne Pyramide pflanzte.
Aus solchen Betrachtungen reißt nns wieder das bunte Menschenleben der nähern Umgebung. Wo irgend einer der vielgcschlängelten Wege herabsteigt von den Bergen, aus Gebüsch nud Wald oder aus den leuchtenden Häusern der Gipfelhöhen, da erkennen wir zueilende Menschengrnppen. Rufen, Gesang/lautes Gespräch aus der Nähe und Ferne; überall in den Händen der Männer der friedlich glitzernde Säbelgriff, dessen Klinge ruhig in der Scheide schlummert. Vor uns, hinter uns auf der weithin sichtbareu Fahrstraße jagten sich die kleinen Einspänner unzählbar in lustiger Eile' bergab zum Ziele, welches endlich tief unten im Thale erscheint; so steil unter uns, daß doppelte Hemmschuhe eingelegt werden. Und außer den Wanderern zum feierlichen Acte des legalen Republikanis-