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Die constitutionelle Partei in Preußen.
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seitö ist diese Aussicht doch immer eine sehr bedenkliche, andererseits wäre es nnser unwürdig, wenn wir zuließen, daß über uns ohne uns entschieden wird. ,

Es wäre ferner sehr ungeschickt, wenn wir annehmen wollten, unsre Par­tei sei eine geschlossene Masse, der nur die Parole ertheilt werden dürste, nm sich nach der einen oder nach der andern Seite hin in Bewegung zn setzen. Wir glauben allerdings, daß unter den Mittelklassen im Ganzen die liberalen Ideen bei weitem die gangbarsten sind, und daß> sie auch iu dem Adel und in der Bureaukratie sich einer nicht geringen Verbreitung erfreuen; allein diese allge­meinen Ansichten reichen noch nicht aus, um in einer Wahlschlacht die Entscheidung herbeizuführen; es kommt vielmehr daraus au, mit unermüdlicher Ausdauer bei alleu schwankenden Gemüthern die Ueberzeugung festzusetzen, daß diese Meinun­gen jetzt auch zur That werden müssen, wenn nicht die geistigen wie die Materi­alien Interessen des Volkes zn Grnnde gehen sollen.

ES käme noch darauf an, das Verhalten festzustellen, welches wir den uns nahestehenden Parteien gegenüber beobachten sollen, da es kaum zu vermuthen ist, daß iu den verschiedenen Wahlkreisen nur zwei Kandidaten, die Kandidaten der Reaction nnd des Liberalismus, auftreten werden. In dieser Beziehung weichen wir wesentlich von den Ansichten ab, welche die Cvnstitutiouelle Zeitung im Verein mit mehreren anderen Blättern unsrer Partei ausgesprochen hat. Von dieser Seite her wnrde nämlich darauf gedrungen, daß wir die schroffe Stellung- der Demokratie gegenüber ausgäben, daß wir, wenn nicht eine Fusion^ doch we­nigstens ein Kompromiß mit den Dcmvkrateu eingehen sollten.

Gegen diese Idee haben wir beständig polemisirt, nnd wenn nnö nicht an­dere Gründe dazu bestimmten, so würde wol der einfache Umstand ausreichen, daß uach aller Wahrscheinlichkeitsrechnung die sogenannte Demokratie, oder mit anderen Worten, daö Publicum- der Nativnalzcitnng, sich auch diesmal der Wah­len enthalten wird. Wir sagen das keineswegs, weil wir wünschen; wir hal­ten es vielmehr für ein großes Unglück für nnsre Institutionen, daß eine immer bedeutende Klasse des Volks ihre Vertretung in denselben nicht findet; wir wür­den es für einen großen Gewinn ansehen, wenn intelligente nnd ans ihre Weise patriotische Männer, wie Wäldeck, Unrnh, NodbertuS u. s. w., ans ihrer pessi­mistischen Unthätigkeit herausträten uud, weuu auch iu der Form gegen uns, dem Wesen nach doch mit uns, au der Feststellung unsrer parlamentarischen Zustände arbeite» wollten. Allein wir wagen -nicht darauf zu hoffeu, denu es liegt im Interesse der leitenden Cvterie, die bisherige Stellnng festzuhalten. Sie stehen auf einer unnahbaren Höhe, von der ans sie das Gewühl der streitenden- Kräfte mit Behagen überschauen uud sich über die unschönen nnd lächerlichen Er­scheinungen dieses Kampfes belustigen können. Jedes positive Eingreifen in die öffentlichen Zustande würde ihnen die Annehmlichkeit dieser Stellung rauben und sie iu dieselbe mißliche Lage bringen, über die sie so lange und mit großem Er-