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Der Saal für nordische Alterthümer im neuen Museum zu Berlin.
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Pfeilerstellungen getrennten Nischen füllen. Durch diese Anordnung erhielt jede der acht Gemäldegruppen eine dreitheilige Gliederung: linke Fensterseite, Mitte über dem Fenster und rechte Fensterseite.

Erste Nische, gemalt von Heidenreich. Hertha, die fruchtbringende mütterliche Erde, fahrt auf ihrem Wagen, von zwei milchweißen Kühen gezogen, über den freundlichen Herthaseu dahin. Mit freigebiger Hand spendet sie den Bewohnern der Erde Blumen und Früchte. In der Mitte reiten Dagur uud Noth Tag und Nacht, von der gefräßigen Zeit in doppelköpfiger Wolfs­gestalt verfolgt, einher ans dem glanzmähnigen Donnerosse Skinfax und dem thaumähnigen Nachtrosse Hrinfax. Rechts thront Wodau auf seinem Königs- stnhle Hlidskialf, bewaffnet mit Helm uud Schild und mit dem Speer Gungnir, durch welchen er den Helden Sieg verleiht. Denn er herrscht über die weise Lenkung des.Krieges und leitet den Sieg. Aber auch die Dichtkunst erweckt er, verleiht den Menschen und allen Dingen Gestalt und Schönheit, ist Herr über die Fruchtbarkeit des Feldes, wie über alle höchsten Güter und Gaben, kurz, er vereint in sich die Alles durchdringende, Alles schaffende Kraft, von der nur ein­zelne Fähigkeiten auf die anderen Gottheiten übergingen. Die Raben umranschen ihn nnd tragen zu ihm die Kunde alles Geschehenden; zn Füßen sitzen ihm seine Tischgenossen, Geri und Freki, die zcitbedeutenden Wölfe.

Zweite Nische, gemalt von Richter/ Baldur, der gute Gott, tritt im leuchtend weißen Gewände, Braga's Harfe im Arm, aus dem Thore seines Hauses Breitablick, des Sonnenschlosses. Der naive Natursinn der alten Deutschen ließ es ihn bekanntlich stets um Johanni beziehen, im Rosenmond, wenn die Sonne am höchsten steht. Dort hat ihn der 'todtbringende Schütze Hödr erblickt, der in Baldnr's freie, unbewehrte Brust den Pfeil mit dein Mstel- steine sendet, während hinter ihm Loke, der böse Verführer, den verhängnißvollen Mistelzweig führt. In tiefem- Entsetzen über die Unthat scheint auch Baldnr's Gattin, die verzweifelude Nanna, dem Tode nahe, und vergebens sucht Friggh, Wodan's Gemahlin, die Unglückliche zu trösten. Diese Gruppe bildet die Mitte. Auf der rechten Seite, der jugendlich edlen Gestalt Baldnr's gegenüber, erblicken wir die Göttin Hulda oder Frau Holle mit dem Spinnrocken am Hollebrunnen und als Vorsteherin der Familie ihre Pflege den Kindern zuwendend, welche im klaren Gewässer des Brunnens spielen.

Dritte Nische, gemalt von Müller. Froh oder Freir, der schöne Früh­lingsgott, welcher Sonnenschein und Regen beherrscht, reitet ans dem Eber Gnllin- bursti, dem Sinnbild der Fruchtbarkeit, dessen goldene Borsten sogar die Nacht erleuchten. Froh gießt Regen ans einer Schale nieder, die Sonne wirft ihre Strahlen dareiu, und unter dem Reiter bildet sich der Regenbogen, die Bisrost­brücke, welche den Fuß der Götter durch den Aether trägt. Wane, einer der kleinen Lustgeister, von denen das Geschwisterpaar Froh und Freia stammt,