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Margarethe Fuller.
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Uebersetzungen von Goethe's und Bettina's Briefen u. s. w., sie ist aber vorzugsweise wichtig durch den persönlichen Einfluß, den sie besonders in den Jahren 1839 1844 in ihren literarischen Cirkeln auf die Koryphäen der amerikanischen Literatur ausgeübt hat. Von ihren Anhängern als Prophetin verehrt, suchte sie die Vorzüge einer Dame von Welt mit den Inspirationen einer Sibylle zu vereinigen. In ihrer äußern Stellung erinnert sie am meisten cm die Dichterin der Corinna, ihr geistiges Wesen aber dürfte unsrer Rahel am nächsten stehen, nur daß sie mit ihren kühnen nnd zum Theil überraschenden Paradozien mehr in die Oeffentlichkeit heraustrat. Die Schule, als deren Hanpt wir sie betrachten können, nnd zu welcher außer dem schon genannten Philosophen Emer­son, dem Freunde und Gleichgesinnten Carlyle's, unter Andern auch der bekannte Dichter Nathanael Hawthorue gehört, hat sich zum Zweck gesetzt, die eingeschränkte Sittlichkeit und den geistlosen Materialismus, der bisher iu der ueuen Welt ge­herrscht hat, durch Einführung der transscendentalen, spiritnalistischen Denkweise des jungen Europa zu brechen. Wir finden in ihren Ansichten jene Mischung von Glaubeustrieb und Zweifelsncht, von Hingebung und Hochmuth, von Auf­klärung und Aberglauben, von Andacht und Ironie, die seit Byron, Heine und G. Sand für uuser Denken und Empfinden charakteristisch ist. Sie hatte einen halb männlichen, herrschsüchtigen Geist, der in mancher Beziehung dem Bilde nahe kommt, welches sich G. Sand in ihrer Lelia gemacht hat. Sie übte, eine unbegrenzte Herrschast aus über Alle, die iu ihre Nähe kamen, uud erreichte das Ideal der Frauenemancipation, das in einer größern Ausdehnung unmöglich ist, wenigstens für sich selbst. Nachdem sie 1840 in Boston mit ihren Freunden Emerson, Parker, Daua, Chanuiug und George Ribley das Journalvial ge­stiftet hatte, an welches sich eine Art von christlich-socialistischer Gemeinschaft an­schloß, um die Principien der Schnle zu vertreten, wurde sie 1844 nach New- Uork berufen, um die dort erscheinende Iribnris zu redigireu. 1846 begab sie sich mit einigen Freunden auf die europäische Tour, besuchte Frankreich und Eng­land, lernte G. ^Sand und Carlyle kennen, ohne von ihnen vollständig befriedigt zu werden, und siedelte sich endlich in Italien an, wo sie sich mit dem jungen Marquis vou Ossoli verheirathete. An diesem scheint sie das Ideal gefunden zu haben, das ihr vorschwebte, nicht das gewöhnliche Ideal der Frauen, einen starken, männlichen Charakter, sondern eine weiche Empfänglichkeit, die sie bestimmen uud beherrschen konnte. Im Jahre 1830 reiste sie mit ihrem Gemahl, der wegen seiner Theilnahme an den politischen Ereignissen geächtet war, nach Amerika zu­rück. Ganz in der Nähe von New-Uork strandete das Schiff, nnd Beide kamen um.

Wer für die geheimen Fäden, welche das Denken nnd Empfinden der ver­schiedenen Völker mit einander in Verbindung setzen, Sinn hat, wird aus diesen Memoiren eine reiche Belehrung schöpfen. Sie legen ein Zeugniß ab für das