Beitrag 
Luxus und Schönheit im modernen Leben : die Entwicklung der französischen Kochkunst.
Seite
154
Einzelbild herunterladen
 

154

er die Unterköche zu Bereitung eines Gerichts instruirte. War dies geschehen, so schrieb er mit goldener Schreibseder in ein dickes Buch, in Maroquin gebunden mit Goldschnitt, ein Paar Worte, um zn bemerken, zwischen welchen Gerichten uud wann das eben Befohlene aufgetragen werden sollte, znr gehörigen Notiz für den Haushofmeister, und schüttete zugleich mit der linken Hand Gewürz in eine Casserole, die der Gegenstand seiuer ernsten Betrachtungen war. So drei­fach, wie Cäsar, beschäftigt, gab er mit dem Kopfe winkend verschiedene Befehle, und um ihn standen einige Köche mit Tiegeln und Pfanuen, damit er mit kunst­reichen Fingern die sublimsten Mischungen selbst verrichte. Der berühmteste Schüler Caröme's ist Soycr, welcher der Küche des Londoner Nesormclubs vor­steht. Aber während der Lehrer nur für die in Götternähe thronenden Sterb­lichen schuf, ist der Schüler, von dem Geiste der Neuzeit erfüllt, darauf bedacht, die seine Küche zu popularisireu, und ihre Genüsse jedem nicht über allzu be­schränkte Mittel gebietenden Haushalt zugänglich zu machen. Sein Werk: inoüoi-li Kcm,L<zvvtt'(;" lModerue Knche für's Haus) ist in dieser Hinsicht unter allen .Kochbüchern vielleicht das verdienstlichste, und enthalt viel Merkwürdiges und Belehrendes.

Wie nach der alten Sage die Zerstörung des babylonischen Thurmes, eine Strafe des vermessenen Meuscheugeschlechts, die verschiedenen Völker über die weite Erde zerstreute, und dadurch die Cultur über die Welt verbreitete, so be­wirkte auch die-blutige Katastrophe der srauzösischeu Revolution, welche das Ge­bäude der alten Gesellschaft mit ihrem Blitz vernichtete, daß die Ganmenkünstler und Köche in alle Welt aus einander stoben, und mit der Flamme echter Kunst die noch über Deutschland und England liegende Nacht erhellten. Seitdem die Gastronomie in Frankreich als eine aristokratische Eigenschaft zum Staatsver­brechen geworden war, mußten die Köche für ihre Kunst, nnd die Gourmands und Gourmets für ihren Gaumen jenseits der ungastlichen Grenze Beschäftigung sucheu. Selbst die Kunst der Salatbereitung brachte erst Chevalier Gandet nach London. Er besaß Nichts als das nackte Leben, als er in England landete, doch mit dieser Kunst erwarb er sich ein Vermögen. Aber was für ein Salatkünstler war er! Mit unübertroffenem Takt wußte er zwischen dem Nichtzuviel und Nicht- zuwenig der Salz-, Essig- und Oelmischung die richtige Mitte zu halten, die dem Salat, der Jahreszeit und den Umständen angemessene Fournitnre zu mäh- len, uud mjt welcher Grazie zerriß er die Blätter, mit welch' edlem Anstand durcharbeitete er die Schüssel, bis die mancherlei Ingredienzien wie ein viel- ' stimmiger Accord in eine schöne Harmonie zusammenstimmten. Nie anders als in voller Gala, den Degen an der Seite, trat er vor die Salatschüssel. Die vornehmsten Häuser lnden ihn ein, damit er die Gäste mit seiner Knnst erfreue. Er forderte zehn Guineen für eiue Bereitung, war aber so beschäftigt nnd so noth­wendig geworden, daß der Herzog von Devonshire einmal ein Gastmahl eine