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deutsche Bildung und geistige Interessen zu öffnen, nnd das gemeinsame Leben der Geister so innig zu machen, daß diese Sympathien der Norddeutschen über die auderweitigcu Schwierigkeiteu der Vereinigung, divergireude Handelsinteressen, die schlechten Geldverhältnisse, politische Antipathie« u. s. w. weggeholfen hätten. Universitäten zu Wien uud Prag in norddeutschem Siune, liberale Berufungen der bedeuteudsteu Capacitäteu der Kuust uud Wissenschaft und Unterstützung alles freieu Forscheus, Ausmuuteruug des Oestreichischeu BuchhaudelS und ein freisinniges Preßgesetz hätte in den drei letzten Jahren eine bessere Propaganda für Oestreich gemacht, als jene brillante Seuduug seiner Soldaten nach Hamburg uud Holstein, welche zwar die Folge hatte, die preußische Negie- ruug iu deu Augen der Welt zu erniedrigen, aber eben deshalb jede dauernde Unterordnung Preußens verhindert, weil diese Occupatiou eiu Wurm ist, welcher an dem preußische» Selbstgefühl so lange uageu wird, bis er das Ministerium Manteussel und deu Einfluß des Herru von Prot'esch weggebissen hat. Die Dentschen sind eiue politisch schwache uud verwahrloste Natiou; ihr Bedürfniß, zn lieben, zn verehren nnd tren zu sein, befriedigen sie. nicht gegenüber den Regierungen und Staatsverfassuugeu, sondern gegenüber deu großeu Mäuneru ihrer Wisseu'schaft uud Kuust. Da, wo die kräftigste Productiou, der edelste Geist, der meiste Siuu für Schöuheit und Wahrheit aufleuchtet, dahin wenden sie ihre Blicke, dort werden sie abhängig. Die Universität von Berlin hat Preußen in den letzten vierzig Jahreu sortwähreud so viel Sympathien im übrigen Deutschland erobert, daß selbst die gegenwärtige preußische Regierung trotz aller Bemühungen noch immer nicht im Stande war, dieselben zn vernichten. Das Cabinet Schwarzenberg war außer Staude,^ in dieser Richtung irgend etwas Ernsthaftes zu thnn, da seine Negieruugsgruudsatze störend stud, uud seine Mittel deshalb klein, beschränkt nnd ängstlich sein müssen. - Weil ihm uud seinen Freunden ganz mit Recht die Existenz des gegenwärtigen Kaiserstaats davon abhängt, daß das selbstständige Leben der Geister beschränkt uud überwacht wird, so dürseu sie, auch wenn sie wollten, für ihr Oestreich das Beste uicht thuu. Sie haben einige jnnge Gelehrte aus Nvrddeutschlaud nach Wicu gezogen; sie haben an einen deutschen Schriftsteller die Verwaltung des Bnrgtheaters gegeben. Sie haben dadurch allerdings einiges Terrain gewonnen, die Herzen einiger Philologe» und der deutschen Schauspieler. Das Wenige, was sie gethan haben, geschah in flüchtigen, sanguiuischeu Anwandlungen, oder ans einer gewisseu uaiveu Neuvmmisterei.
Und doch ist jetzt Oestreich wie durch eiue chinesische Maner von Deutschland getrennt, und die zahlreichen Beziehungen zwischen beiden Vvlkergrnppen haben sich iu den letzten drei Jahren sortwähreud gemiudert. Es giebt für den Verkehr der Völker uutcr einander einige Thermometer, welche ziemlich genau verschiedene Seiten ihrer Verbindung, die gemüthliche, die geschäftliche, die geistige anzeigen: die Zahl der Touristen, der kaufmäuuische Verkehr und der Buchhandel. Die Zahl der deutscheu Neiseuden in Oestreich hat sich trotz der Prag-Dresdner Eisenbahn nicht vermehrt. Nur iu aristokratischen Kreisen ist es Mode geworden, nach Wien zn pilgern, hinter den deutschböhmischen Bädern aber werden die fremden Reiseudeu iu Oestreich verhaltuißmäßig selten, die Reisenden, welche einem großen Strome gleich aus den großen Nvuteu Norddeutschlands uud den Rhein hinab dnrch sechs' Monate im Jahre dahinrollen. Die kaiserliche Regierung hat zwar nur einzelnen gefährlichen Klassen den Zutritt zu dem Kaiserstaat verboten: den Handwerksburschen, wenn sie nicht nachweisen können, daß sie von östreichischen Meistern gesucht werden; den Schriftstellern, welche in dem Verdacht stehen, bei unabhängigen Journalen thätig zn sein; Gelehrten und solchen Personen, die iu den vergangenen Jahren irgendwie in den Verdacht liberaler Gesinnung kameu ;