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Ludwig L ö h n e r.
Ein Portrait.
So wenig es den Anschein hat, so könnten doch einmal Zeiten kommen, wo Oestreich seinen strebsamen Söhnen Gelegenheit böte, noch etwas Anderes zu treiben, als lyrische Poesie und Theater. Wir werden daher von Zeit zu Zeit eine Musterung halteu nuter denen, welchen die letzten Jahre eineu geschichtlichen Namen gegeben, um wo möglich die Spreu vom Waizen zu sondern.
Im Februar 1848 erschienen in Berlin bei dem Hofbuchhäudler Alexander Dnncker: „Gedichte von L. v. Morajn." Ueber der Unruhe der folgenden Tage gingen sie unbeachtet vorüber. Sie schließen sich der großen Reihe östreichischer Lyriker an, die mit Lenau und Anastastns Grün beginnen. Viel sinniges Natur- gcfühl, das Bestrebe», in allen Stimmen des Waldes und der Flur eiue Seele zu belauschen, eine ungemeine Empfänglichkeit für jede freie Regung des Geistes, für jede rührende Geschichte, für jeden nobeln Zug, großer Reichthum au wohl oder übel eombinirten Bildern, und sehr wenig Melodie in der Sprache wie in der Empfindnngsweise.
In der östreichischen Lyrik spricht sich die eine Seite des östreichischen Wesens aus, in Nestroy die andere; die -dritte hat man' in der Brigittenan und im Hi>tel Latour zu suchen. Barbarei und formte Gemüthlichkeit; Sentimentalität und blutiger Idealismus. Der Verfasser der erwähnten Gedichte, Ludwig Löhner, ragt wie ein Leuchtthurm über dem Niveau der gewöhnlichen östreichischen Bildung hervor, und doch erinnern seine Verse an jenes Zwitterwesen, das sich bei jedem Volke finden wird, wo die Cultur eine Treibhanspflanze ist.
Nicht als Dichter, sondern als Politiker, als der Führer einer ehemals mächtigen Partei, ist Löhner der Gegenstand unserer Darstellung.
Ludwig Löhner ist im September 18 l 2 auf dem Gute Rostock bei Prag geboren. Sein Vater war der Abkömmling eines steirischen Geschlechts, das sich vor Ferdinand II. nach Böhmen flüchtete, dort aber zuletzt in Noth und Katholicismus zugleich gerieth. Der Sohn eines armen Salzverschleißers, erhielt Joseph Löhner ^in einem Kloster .den Tafelabhub und dürstigen Unterricht, den er durch eignes aufreibendes Stndium ergänzte. Er wurde Professor in Leitmeritz, dann Advokat, endlich Gutsbesitzer, ökonomischer Schriftsteller und endlich geadelt. Auf einer Reise durch Deutschland hatte er Wieland's Freundschaft erworben.
Ludwig Löhner wurde schon seit dem 16. Jahre durch Beurtheilung und Auszug von Prozeßakten juristisch vorgebildet. Seine jährlichen Reifen in den östreichischen und schweizer Alpen gaben ihm die Grundlage seiner Naturanschauung. Dem