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daß die Willkürherrschaft, die ein einzelner Mensch gegen Recht und Gesetz in einem Staat ausübt, das monarchische Princip ebenso verletzen muß, als das Recht, nicht herbeiläßt. So ist also nicht ein Conflict des Rechts, sondern der Interessen vorhanden, der auch wieder nicht kühn genug ist, sich offen zu erklären, sondern sich hinter eitle Formen versteckt. Wenn z. V. Oestreich oder Baicru erklärt, wir rücken als treue Bundesgenossen des Kurfürsten ein, um ihn gegen seine rebellischen Unterthanen in Schutz zu nehmen, wie Preußen es früher zum Heile Deutschlands in Baden und Sachsen gethan, so wird Preußen von seinem Standpunkt aus nicht viel zu erwiedern haben, und wird höchstens verlangen, an dieser Wiederherstellung seinen Antheil zu haben, was die Liga, wenn man sich über das Materielle einigte, im Interesse des guten Einverständnisses geschehen lassen dürfte. — Wenn dagegen Oestreich und Baicrn nicht als gute Bundesgenossen, sondern im Namen des Bundestags einrücken, so wird Preußen das nicht anerkennen, und das Einrücken der beiderseitigen Heere wird einen so feindseligen Charakter annehmen, daß man trotz alles Widerwillens der beiden Mächte gegen einen ernstlichen Krieg nicht zu berechnen im Stande wäre, wie weit es sühreu könnte. — Für das gute Recht des hessischeu Volks, das mit einer Vereinung von Maaß uud Energie in dieser Sache aufgetreten ist, die einzig dasteht in der deutschen Geschichte, tritt weder der eine noch der andere ein, und wenn eine Meinungsverschiedenheit stattfindet über den Grad der Abhängigkeit, in welchen es zurückgezwungen werden soll, so ist auch diese aus ganz andern Motiven herzuleiten, als aus Sympathien des Rechts und der Freiheit. — In Kassel ist nun weiter nichts zu thun; wie aber die Sachen jetzt stehn, sollte in Darmstadt und Stuttgart die liberale Partei Alles aufbieten, um eiucn ähnlichen Conflict zu vermeiden, und nicht zu halsstarrig sein in dem Festhalten an einem Ncchtsboden, dem ein anderer Nechtsbvden gegenübergestellt wird, da es nicht praktisch ist, einen Proceß zu führen, wo man kein Gericht findet.
Aus Holstein.
i.
— Wir reisten an einem schönen Morgen von Altona per Eisenbahn nach Kiel. Die Sache dauert 3^ — /t Stnnden. Die Gegend ist größtenteils ohne andern Schmuck, als ihn etwa fettes Wiesen- uud Ackerland, hin und wieder blaue Secen, wcißstämmige Buchengruppen und saubre Dörfer und Landstädte zu bieten vermögen. Die Reisegesellschaft der III. Classe — uud jeder Tourist „pure-Lang" fährt in den Volks-Wagons — bestand aus einem Gemisch von Freiwilligen, Neunzehnjährigen, Banern und Städtern. Eckernförde war Tags zuvor freigeworden; daß es schon wieder aufgegeben hatte werden müssen, war den Wenigsten bekannt, und so fanden sich auch viele Eckernförder zusammen, die, seit Mouaten von Haus uud Familie getrennt, die Sonnenblicke des Krieges zum Wiedersehen der Ihrigen benutzen wollten. —
Die Freiwilligen waren wunderbar bunter Mischung. Da war ein hübscher Hand- werksbursch aus Meißcu, den der Krieg in Ungarn überrascht und sammt Meister und Mitgesellen iu seinen Strudel hineingezogen hatte, bis ihm ein östreichischer Lancier die Unterkiefer zertrümmerte. Zu Peterwardein in'S Lazareth gebracht und leidlich hergestellt, trieb's ihn, mm wieder dem Schall der Trommel nachzugehen. Ein anderer statt-