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standen. Bisher ist es dennoch dem Präsidenten des Comitö gelungen, durch freundschaftliches Entgegenkommen die auseinander strebenden Elemente zusammenzuhalten, und mehrere Mitglieder der Emigration von unnützen Demonstrationen zurückzuhalten; bis endlich die Frage der Altconservativen in Ungarn wie ein neuer Zündstoff iu die Gemüther einiger jüngern Emigranten siel und den lang niedergehaltenen Kampf der Parteien zum Ausbruch brachte. Die Altconservativen sollen sich, wie bereits mehrere Blätter meldeten, an die Pariser Emigration gewendet haben, um ihren Beistand bei der Verschmelzung der vormärzlichen Parteien in Ungarn zu erhalten. Gras Teleki sprach sich mit der Majorität des Comites für die Verbindung mit den Konservativen aus, während Cseruatoni, Szarvadi und andere Vollblntdemokraten diese Mesalliance durchaus nicht eingehen, und wie ihre Glaubensgenossen in Deutschland uud Frunkreich entweder Alles oder gar nichts haben wollten. Dies brachte eine Spannung unter den verschieden gesinnten Mitgliedern der Einigration hervor, nnd da Csernatoni, der als Correspondent des lVlag^sr Mrlap schon oft von Teleki ersucht wurde, im Interesse der Emigration seine Aeußerungen über die Maßregeln der französischen Negiernng etwas zu mäßigen, in neuester Zeit seine Feder noch spitzer schnitt, und eine Beileidsadresse, welche die Emigration über deu Tod des Präsidenten Taylor nach Nordamerika sendete, und die vor der französischen Negiernng ein Geheimniß bleiben sollte, veröffentlichte, so glaubte sich das Comitv berechtigt, Herrn Csernatoni, dessen Benehmen es vor der französischen Negierung nicht verantworten wollte, aus dem Verband der Emi- grirten auszuschließen. Dies die Thatsache. Inwiefern Graf Teleki und das Comit6 zu streug oder gar anmaßend gegen Csernatoni verfahreil sei, können wir, da die nähern Umstände uus unbekannt sind, nicht beurtheilen; so viel ist gewiß, daß Csernatoni jetzt zu weit geht, weuu er Teleki deu Prätendenten von Montmorency nennt, uud ihm unterschieben will, er hätte von ihm verlangt, seine Korrespondenzen im Sinne Montalembert's, Larochejaguelin's u. s. w. einzurichten. Solche Beschuldigungen kann Ladislaus Teleki über sich getrost ergehen lassen, denn seine 20jährige politische Vergangenheit straft sie Lügen; aber der ungarischen Sache kann aus solchen Reibungen nichts weniger als Nutzen entsprießen.
Für diese von Westen kommende betrübende Neuigkeit wurden wir reichlich durch die Nachrichten entschädigt, welche dnrch Reisende und Jonrnalcorrespondenzen von Osten einlansen. Die Flüchtlinge in der Türkei werden von der dortigen Negiernng mit größter Schonuug, von der türkischen Bevölkerung mit wahrhast morgenländischcr Gastfreundschaft behandelt, und die Jnternirten in Kleinasien leben ein friedliches unter dem Patriarchen Kossuth geordnetes Familienleben. Kossuth, dessen große Seele nur von seinem großen Herzen Übertrossen wird, sollte, wenn es ihm gelingt, ans der Türkei zu entkommen, mit einer Schaar ungarischer Flüchtlinge eine kleine Insel im stillen Meer oder im indischen Archipel beziehen; dort, fern von der verpesteten Diplomatie, wo die Politik keine Madaräße und der Krieg keine Görgeu heranbildet, müßte uuter Kossuths Leitung ein Völkchen erwachsen, wie Europa keins aufzuweisen hat; die Sorgen der Organisation könnten seine Thatenlnst, die Liebe seiner Mitbürger sein srommcs Gemüth, und das Bewußtsein, unter Freien der Erste zu sein, seinen Ehrgeiz befriedigen.
Aber nicht nur bei seinen Landsleuten/sondcrn auch bei den Muselmännern wußte sich Kossuth in solches Ausehen zu setzen, daß er in Kintahia wie ein Fürst in seinem Reiche betrachtet wird. Unsere Regierung ist zwar sehr bemüht, die Geltung Kossnth's zu untergraben, und erst unlängst wurde ein gewisser J7 nach Kleinasien entsendet, um — was durchaus nicht bedungen ist — „die Jnternirten zn überwachen", und „den weniger Compromittirten die Pforten der kaiserlichen Gnade zu öffnen," allein kanm war Kossnth von der Ankunft dieses Emissärs unterrichtet, als er dagegen Klage erhob, und Herr I. bekam den Befehl, sich binnen 24 stunden aus Kintahia zu entfernen. Nun meint der Correspondent eines Wiener Blattes, daß die östreichische Negierung diese „Beschimpfung"
Greuzboten. IV. 1850. 8l)