350
Der Tscherkeffenproceß in Bromberg.
Am 20. Januar d. I. wurde vor dem Schwurgerichte zu Bromberg der Proceß gegen sechs bei Jnowraclaw als russische Militärflüchtlinge gefangen genommene Tscherkessen verhandelt; ein Proceß, ebenso interessant durch seine Veranlassung als eigenthümlich durch die Erscheinungen, die sich in seinem Verlaufe darstellten; denn — ganz abgesehen von der fremdartigen Persönlichkeit der Angeklagten — dürfte es nicht oft vorkommen, dciß wir einen Vertheidiger im Interesse seiner Clienten für Anerkennung des höchsten Strafmaßes plaidiren, daß wir einen Gerichtshof in seinem Urtheil gegen Deserteure ausdrücklich von deren „ehrenwerther nnd anständiger Führung" sprechen, und daß wir Angeklagte nach Publication ihres Urtheils erklären hören, sie hätten nichts so sehr gefürchtet, als eine Freisprechung.
Die Geschichte der Angeklagten, soweit sie mit diesem Proceß in Verbindung steht, ist ihrer Zeit in allen deutscheu Zeitungen so vielfach mitgetheilt worden, daß sie hier nur kurz erwähnt werden darf.
Zehn Soldaten eines tscherkessischen Regiments verlassen mit Pferd und Waffen ihre Garnison Skierniewice, Lowiczer Kreises, um dem König von Preußen ihre Dienste anzubieten. Sie passiren am 1. Oct. 1850 bei Kruschwitz die preußische Grenze und lassen sich von dem dort stationirten Gensd'arm zum Landrath nach Jnowraclaw führen, um von diesem Pässe nach Berlin zu erhalten. Dieser eröffnet ihnen, sie müßten nach der bestehenden Cartellconoention vom 20. Mai 1844 ausgeliefert werden, um so mehr, als bereits eiue Requisition von dem Commandeur der kaukasischen berittenen Division ans Skierniewice eingelaufen sei; er fordert sie durch eiueu poluischeu Dolmetscher auf nach der Dragonerkaserne zu reiten um dort ihre Waffen und Pferde abzuliefern, gleichzeitig setzt er den Rittmeister der Dragonerschwadron davon in Kenntniß mit dem Bemerken, es werde schwer werden die Leute zur Ableguug der Waffen zu bewegen. Der Rittmeister ersucht den Landrath, „die Tscherkessen so lange hinzuhalten, bis die nothwendigen Anordnungen zum gewaltsamen Einschreiten getroffen wären" nnd nach 2/4 Stunden erklärt er sich zum Empfauge derselben bereit. Die Tscherkessen reiten zur Kaserne; während man vor derselben Parlamentär, da sie die Ablegung der Waffen verweigern, reiten 35 Dragoner mit gezogenen Säbeln vor und neben ihnen postiren sich 12 unberittene Dragoner mit scharfgeladenen Karabinern. Hierauf setzen sich die Tscherkessen in Bereitschaft zur Vertheidigung und beginnen so den Rückzug anzutreten; die 12 Karabinerschützen, ausdrücklich instruirt ordentlich auf die Tscherkessen zu halten, geben eine wirkungslose Salve, ein Tscherkesse antwortet mit seiner Büchse, ebenfalls ohne Erfolg. Die Tscher-