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Das stille Leben in den polnischen Wäldern.
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Ihr Korrespondent bittet um die Erlaubniß, zunächst zu erzählen, was er selbst in den polnischen Urwäldern gesehen hat.
In einem Dorfe bei Ostrow, grade vor einer der berühmten Waldwüsten, suchten meine Reisegefährten einen Förster auf, der vor Jahren ihrem Vater gedient hatte. Der alte Nimrod, mit einem Gesicht wie Baumrinde nnd einem mächtigen Schnantzbart, erzählte die wunderlichsten nnd schreckhaftesten Dinge von der Wildniß vor uns. Der leideuschaftliche Hang zu Tollheiten erwachte in der sarmatischen Natur meiner Freunde, und ich erwies mich als Deutscher, ich machte einige Eiuweuduugeu uud fügte mich. Wir beschlossen, die Wildniß nicht ans den hochgelegenen Gegenden zn umgehen, sondern qner zn durchreisen. Vergebens rang der alte Waldmaun die Häude uud versicherte, daß dies wegen des Dickichts nnd der schändlichsten Sümpfe — die allerdings wie ein Polyp mit ihren feuchten Armen den ganzen, Forst durchflcchten uud stellenwcis als Teiche gauze Flächen bedecken, — geradezu unmöglich sei. Mit Mühe setzte er dnrch, daß wir darauf verzichteten, zu Noß in die Büsche zn dringen, und unsere Füße mit wasserdichten Lederschieuen versahen.
Früh vor Sonnenaufgang traten wi<unsere Wanderung an, wir drei kräftige Männer in der fröhlichsten Laune, der Förster ging kopfschüttelnd nnd mnrrend als indianischer Läufer voran, zwei Bäuerleiu trüge» eine ganze Küche, nämlich einen Theesamowar, eine Beefsteakmaschine, einige Pfund Fleisch, Brod, Wein nnd Branntwein. Nach wenigen Schritten befanden wir uns im Walde. Der Weg war trocken und gebahnt, nnd an dem ausgehanenen Holz erkannte man die Nähe bewohnter Orte. Aber je weiter wir vorwärts schritten, desto mehr wnrde bemerkbar, daß wir uns einer verwahrlosten Gegend näherten; der Weg wurde schmäler, die Baumwurzeln stießen kräftiger, die Aeste streiften unverschämt an unsere Mützen. Endlich erreichten wir die erste Niederung, vor welcher uns der Förster auf dem ganzen Wege Grauen eiuzuflößen bemüht war. Sie war allerdings nicht schön. Hier verschwand der Weg ganz, und wir mnßten auf gut Glück nach einer imaginären Nichtnng uns durch Dickicht uud Gestrüpp arbeiten. Der Boden war dergestalt vom Wasser geschwängert, daß wir ihn nicht hätten betreten können, wenn nicht das abgestorbene Schilfgras von vielen Jahrgängen eine ziemlich starke und kräftige Decke gebildet hätte, die freilich an manchen Stellen von dem weidenden Viehe in den Morast hineingetreten war. Ein dunkeles Wasser von Eisentheilen, mit einem braunen schillernden Häntchen überzogen, stand da zn Tage, und nöthigte uns, die Aeste der Büsche uiederzubengen, nm ans diesen vorwärts zu kommen. Meinen polnischen Freunden machte dies ein maßloses Ver-