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Weltspiegel.
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Entscheidung, welche Zahlungscrleichterungen Deutschland gewährt werd«-:? sollen, falls anerkannt werden muß, daß die ihm auferlegten Bedingungen unerfüllbar sind.

Daß das Thema der Erörterung überhaupt diese Gestalt gewinnen konnte, muß Frankreich recht unangenehm sein. Denn seine ganzen politi­schen Pläne beruhen ja darauf, daß Deutschland stets unter dem Druck unerfüllbarer Bedingungen gehalten wird, wobei Frankreich sich bisher jederzeit der R>eparationskommission als eines gefügigen Werkzeuges be­dienen konnte. Nun wird zum ersten Mal ernsthast sachlich darüber beraten, ob mau wirklich anerkennen soll, daß Deutschland Erleichterungen braucht. Früher machte man das anders. Da dekretierte die Kommission einfach nach den Weisungen, die ihr vorn Quai d'Orsay gegeben wurden, was Deutschland leisten könne und infolgedessen auch leisten müsse. So geht es jetzt nicht mehr, trotz Poincarö, auch nicht trotz dem wütenden Fauchen der noch extremeren Nationalisten von der Art Tardieus, der eben jetzt in der französischen Kammer als Wortführer der Unzufriedenen dem Ministerpräsidenten wegen seiner allzugemäßigten" Politik hart zu Leibe gegangen ist. Woher diese Aenderung der Lage?

Nun, das ist eben doch eine Folge der Konferenz von Genua, wo sich durch die bloße Tatsache des Verkehrs der Delegierten im Stillen manche Erkenntnis durchgesetzt hat, die die offizielle Weisheit noch weit von sich weift. So ist die Einsicht, daß Deutschland ohne internationale Hilfe die Verpflichtungen von Versailles nicht erfüllen kann, jetzt Gemeingut aller ernsthaft urteilenden Kenner der weltwirtschaftlichen Verhältnisic, und damit muß sogar Frankreich rechnen. W i e das zum Ausdruck kommt und wie das endet, ist Heute noch nicht zu ersehen. Es hängt das auch Wohl nicht von Frankreich allein ab, sondern wesentlich auch von Amerika.

Die Vereinigten Staaten vertreten auch heute noch den Standpunkt, daß sie als politische Macht dem kranken Wirtschaftskörper Europas in seinen Zuckungen und Nöten nicht beisprinaen wollen, ehe er sich nicht aus eigener Kraft wieder zu einer gewissen Gesundung durchgerungen hat. Anderen Erwägungen sieht sich aber die vereinigte Macht des amerikani­schen Großkapitals gegenüber, die im eigenen Interesse das ihrige tun will, um im Welthandel wieder erträgliche Verhältnisse herbeizuführen. Und Frankreich als Schuldner Amerikas und jetzt finanziell arg notleidendes Land notleidend vor allem, weil nichts so viel Ge'.d kostet wie die Durchführung einer brutalen, imperialistischen Gewaltpolitik innerhalb einer bereits ruinierten Welt! darf nach der moralischen und politischen Niederlage, die es auf der Konferenz von Washington bereits erlitten hat, diese Helfer nicht zurückscheuchen und verstimmen. Zwar hält Frankreich an seinem vermeintlichen Recht auf Sanktionen fest, falls der Spruch ver Repavationskommission gegen Deutschland fallen sollte. Aber man weiß in Paris mich ganz genau, daß die Besetzung des Nuhrgebietes für Frank­reichs Weltstellung einen Fehlschlag und für Frankreichs wirtschaftliche Bedürfnisse einen empfinidliichen Verlust bedeuten würde, eben wegen der Gegnerschaft Amerikas und auch Englands, während der Verzicht aus diesen Gewaltstreich finanzielle Erleichterungen durch das Eingreifen Amerikas in Aussicht stellt. Die großen Worte, die in der französischen Presse sollen und einen entgegengesetzten Standpunkt zur Schau tragen, gestatten allein noch keine Schlüsse darauf, daß Frankreich auch diesmal