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Natron? und antwortet: In Wirklichkeit sind beides notwendige Bedingungen. Ist eine von diesen Bedingungen nicht erfüllt, dann tritt kenn Kohlensäureentwicklung ein; diese Bedingungen sind also gleichwertig. Es ist daher durchaus unberechtigt, aus dem Komplex von Bedingungen eine Bedingung herauszugreifen und ihr eine domiuiereude Rolle anzuweisen. Das gilt für jeden Vorgang in gleicher Weise. Was ich feststellen kann^ sind nur Bedingungen, von denen er abhängt. Für eine Ursache bleibt daneben kein Platz. (Man hat deshalb vielfach darauf verzichtet, von einer Ursache in der Emzahl zu sprechen und den Begriff der Ursache auf sämtliche bedingenden Faktoren eines Vorgangs angewendet. Aber dann zerfließt der Begriff der Ursache in nichts: denn er wird identisch mit dem Begriff der Bedingungen. Auch diese Beweisführung scheint zutreffend, ist es aber keineswegs. Verworn unterstellt nämlich, daß auch Sachverständige einseitig die Salzsäure oder das Natron als Ursache des Vorgangs betrachten. Das aber 'ist nicht der Fall. Denn alle wirklich Sachverständigen belehren uns, daß der Vorgang ausgelöst werde infolge der verschieden großen chemischen Verwandtschaft zwischen den in Berührung gebrachten Körpern: zwischen Salzsäure und Natron besteh: eine größere gegenseitige Affinität als zwischen Kohlensäure und Natron: deshalb verbinden sich Salzsäure uud Ncuron und die Kohlensäure wird frei. Es ist also gar keine Rede von einer überwiegenden Rolle des enien Körpers noch von einer Mehrheit der Ursachen, sondern von der Zurück- führung des Vorgangs auf das Gesetz der chemischen Verwandtschaft zwischen verschieden zusammengesetzten Körpern. Zugleich aber erhellt, daß der Kaufalismus da einsetzt, wo der .Konditionismus aufhört; letzterer gibt uns bloß die äußeren Umstände an, erstere-r erklärt sie.
Noch ein zweites, ganz einfaches Beispiel: Wenn es regnet, wird die Erde naß. In diesem Satz kommt Verworns Konditionismus zum einfachsten Ausdruck. Kausal ausgedrückt würde er lauten: Weil es regnet, wird die Erde naß oder: der Regen ist die Ursache des Naßwerdens. Beide Sätze sind unanfechtbar. Aber wie unterscheiden sie sich? Nun, die erste Fassung stellt lediglich das regelmäßige Zusammentreffen zweier Beobachtungen fest, ohne etwas über ihr ÄbhängigkeitsverhältniS auszusagen: dieses wird erst bestimmt durch die zweite Fassung, in welcher wir. im Banne unserer Organisation, unser Kausalitätsbedürfnis befriedigen. Auch hier sehen wir: die Feststellung der Bedingungen des Vorgangs ist notwendig, seine Erklärung finden wir aber erst im Kausalismus. Schwieriger scheint die Auflösung des Problems bei sehr zusammengesetzten Vorgängen, deren Anfangs- und Endziel durch viele Mittelglieder verbunden ist. Betrachten wir das bekannte Beispiel vom ?5ä'ger, der einen Hasen schießt. Die Bedingungen sind: der Jäger und der Hase, das Gewehr mit seinen mannigfachen Einrichtungen, Tchloß, Stecher, Pnlver- ladung, Kugel, endlich Zielen des Jägers. Druck auf den Stecher. Faßt man den Vorgang als Ganzes ins Äuge, fo kann offenbar von einer einzigen Ursache desselben keine Rede sein, vielmehr hat Verworn vollkommen recht, wenn er in dieser Beziehung den Ursachen-Begriff bemängelt und behauptet, daß die Erfüllung sämtlicher Bedingungen des Vorgangs für sein Zustandekommen erforderlich sind. Zerlegen wir jedoch den Vorgang, um klare Einsicht zu gewinnen, in seine einzelnen Abschnitte, io erkennen wir leicht, daß cnich hier de-r Ursachenbegriff durchaus be-