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Gruß aus Köln.
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Giebel, schweren Holztüren und schiefen Steintreppen. Ein mittelalterliches Bischen, das der rasende Schritt unserer Zeit übersprungen. Dann läuten die Glocken, die vislen Glocken, die von St. Mvrtin, St. Himmelfahrt, St. Apostel, St. Gereon und St. Ursula. Schwer summt der Sang Wer den Steinkoloß: Gott ein Loblied. Das Volk lobt. Durch die Tiefe der Nacht glänzen zwei schlanke hohe Türme.

Weltspiegel.

Bewegte Ostern. Wie zu erwarten war, sind schon in der ersten Woche der Genueser Konferenz die Schwierigkeiten und Gegensätze, deren Aus­gleich versucht werden soll, in ihrer ganzen Schärfe hervorgetreten. Wir haben schon in unserer letzten Betrachtung an dieser Stelle die Lage dahin gekennzeichnet, daß Frankreich sich vor die Aufgabe gestellt sieht, seine Politik gegen die Wünsche und Bedürfnisse aller solcher Staaten durch­drücken zu müssen, die ihr staatliches Dasein auf Arbeit, geregelte Wirt­schaft und friedlichen Verkehr ausbauen wollen. Denn alle >diese Staaten haben erkannt, daß die von Frankreich verteidigte Ordnung der Dinge sie dem Ruin immer näher führt. Die Folge ist denn auch gewesen, daß Frankreich zunächst schlecht abgeschnitten hat. Es bedürfte der ganzen Geschicklichkeit des italienischen Vorsitzenden der Konferenz, des Minister­präsidenten de Facta, und der besonderen Gewandtheit von Lloyd George, der unter allen Umständen die Arbeiten der Konferenz in Gang bringen wollte, um wenigstens von den einleitenden Sitzungen der Konferenz, ihre« Ausschüsse und Unterausschüsse, Katastrophen fern zu halten. Bekannt ist der Zusammenstoß Bcrrthous mit Tschitscherin in der Eröffnungssitzung. Barthou ließ dabei zu deutlich durchblicken, daß Frankreich im innersten Grunde überhaupt kein Mitarbeiter an den Aufgaben der Konferenz ist, sondern nur teilnimmt, mn unter dem Schein der Mitarbeit seinen Sonder­interessen und Sonderpläncn Raum zu wahren.

Zweifellos stand die russische Frage irr Genrra im Vordergrunde. Sie hat sich diesen Platz erobert ernmcrl durch ihre Wichtigkeit, da ohne einige Klarheit über das an Hilfsquellen so reiche und doch so schwer darnieder­liegende osteuropäische Wirtschaftsgebiet auch für Westeuropa nichts Wirk­sames zu beschließen ist, sodann auch im Zusammenhang der politisch­taktischen Fragen, die vor der Konferenz zwischen Frankreich und England verhandelt wurden.

Unsere deutsche Abordnung befolgte in ihrer verwickelten Lage bisher die richtige Taktik, daß sie die Gelegenheit, im Rate der Völker als Gleich­berechtigte mitzusprechen, durch streng sachliche Aussprache über die zur Beratung stehenden Fragen unbefangen ausnützte und sich dadurch Ver­trauen und moralisches Gewicht verschaffte, dem gegenüber die mannig­fachen Manöver der Franzosen, ihre Stellung zu erschweren, eine der beabsichtigten gerade entgegengesetzte Wirkung haben mußten. Die bald offenbar werdende Unmöglichkeit, von den Deutschen Unvorsichtigkeiten herauszulocken, bedeutete eine starke Enttäuschung für alle diejenigen, die so sicher darauf gerechnet hatten, mit Hilfe der "Frage der Reparationen die Beratungen der Genuakonferenz zum Scheitern zn bringen. Statt dessen tauchte die für Frankreich höchst unangenehme Möglichkeit auf,