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führt werden, dann müßte dies gleichzeitig eine starke Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs mit sich bringen und würde ebenso taufende von Unternehmern, die vom Ausschcmk leben, vernichten. Man sieht daraus, daß es Wohl sehr leicht ist, neue Gedanken zu Papier zu bringen, solange man dieselben nicht auf ihre Durchführbarkeit überprüft.
Wenn man nun zu diesen? in groben Strichen ausgeführten wirtschaftlichen Bilde hinzufügt, in WÄcher politischen Zerfahrenheit wir uns befinden, in welcher Weise sich Bestechlichkeit und Verderbtheit allenthalben breit machen, so kann mau daraus ermessen, welche Schwierigkeiten den Plänen und Arbeiten entgegenstehen, die unternommen werden sollen, um diesen Staatskarren endlich aus dem Drecke herauszubringen.
Wohl ist uns nunmehr ein englischer „Kontrolleur", Mister Uoung beigegeben, der es zur Verwirklichung aller richtig erscheinenden Maßnahmen gewiß nicht an der nötigen Tatkraft fehlen lassen wird. Ist es schon traurig, daß wir zur Erreichung besserer Verhältnisse einen anderen sür uns denken und leiten lassen sollen, so müssen wir bei der den Ocsterreichern eigenen Art obendrein befürchten, daß nun alle die Hände in den Schoß legen, alle Fünfe gerade sein lassen und sich denken, es wird schon recht werden und ein anderer für uns sorgen. Wo aber mit den bisherigen Gelddarlehen zur Besserung unserer vielen Abgänge und Mißstände begonnen werden soll, das ist eine Frage, die heute noch niemand zu lösen vermag. Die Zukunft wird es erweisen, ob jene Hoffnungen, die von Leichtgläubigen in den jetzigen Wendepunkt gesetzt werden, auch die ersehnte Erfüllung bringen oder wieder nur mit der gewohnten Enttäuschung enden.
Das Weltbild der Gegenwart.
Von Richard M ü l l e r - F r e i e n f e l s.
Vielleicht erscheint es als eine Paradoxie, wenn man es wagt, von einem Weltbild der Gegenwart zu reden. Ist doch unter den Zeitgenossen vielfach die Meinung verbreitet, im Gegensatz zu den meisten Epochen der Vergangenheit lebten wir inmitten eines wilden Streites von Meinungen, die wirr durcheinander tönten wie die Klänge des die Instrumente stm- menden Orchesters vor Beginn einer Oper, und die sich im besten Fall in ferner Zukunft zu einer Ordnung fügen könnten. Indessen ist es sicherlich in allen bewegteren Vergangenheitsepochen, auch in solchen, für deren Weltanschauung wir einheitliche Formeln wie „Renaissance", „Humanismus", „Romantik" usw. geprägt haben, den bewußt lebenden Zeitgenossen ebenso gegangen, und jeder Historiker weiß, daß, unbeschadet des Wertes solcher Formeln, diese doch nur in fiktiver Weise eine Hauptströmung hervorheben, neben der unzählige divergierende und gegensätzliche andere Tendenzen bestanden. In Wahrheit ist es auch heute nicht bloß ein wirres Jnstrumentestimmen, was wir vernehmen, sondern es geht uns nur so, wie jedem Zuhörer im Konzert, der nicht im Parkett, fondern mitten im Orchester seinen Platz hat; daß er das Ganze nicht aufnehmen kann, sondern nur die zunächst sitzenden Musiker spielen hört, so daß ihm keine rechte Einheit ausgeht. Zugegeben auch, daß heute im Vergleich mit jeder früheren