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Stufen zur Tat
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Stufen zur Tat

Meine Kraft und mein Glauben sind dahin, denn sie glauben nicht mehr «n mich. Ich bete nur, daß die Erhabenheit der weißen, goldglänzenden Bcrg- kuppeu in diesem tiefen Meer der Ruhe die Stelle ist, wo ich rückschauend «uf ein gescheitert Werk, das ich allein mit Liebe schassen wollte und uicht konnte quallos eiuschlafen kann. Ich war nur der Wegbereiter dessen, dem zum starken Lieben auch heiß zu hassen ist gegeben.

Gott wird ihn rufen.

III. Der Führer

Gott wird ihn rufen.

Als er juug war, mußte er jedem Menschen, jedem Dinge bis auf tiefsten Grund nachspüren. Als Knabe lernte er die Heuchelei der Schule und der Er­wachsenen gegenüber dem Kinde. Als Jüngling zog er fünf Jahre in den Krieg. Als Geführter und als Führer wurde ihm der Krieg zum Räuber auch der legten Jllusiou. Demi nirgends als in daueruder drückender Not wurde der Mensch so hüllenlos. Er war jung, als ihn der Ekel vor den Menschen schüttelte, als er das Lächeln über die Menschen gelernt hatte, als er nichts mehr sehen konnte, ohne die feinen Triebkräfte offen daliegen zu sehen, ohne mit dem Seziermesser den Menschen beiznkommen.

Aber Gott wird ihn rufen. Zum Haß gegen die Menschen wird die Liebe zu den Menschen kommen. Mit dem Wissen um ihre Not, die Liebe zu thuen. Weil er im Schicksalsbuch eines jeden Menschen - wird lesen können, wie jener leiden würde, und wie er ihm nicht helfen konnte, weil der andere eine Brille trug, wird er das Mitleid lernen. Mitleid wird zur Liebe werden. Liebe znr bessern­den Tat.

Er wird, war er auch vom alten Adel, kannte er auch allen Glanz uud alle Schönheit, die Reichtum um einen Menschen breiten kann, in die Bergwerke und Fabriken gehen unerkannt und arbeiten. Er wird in den Runzeln nnd den verhärmten Zügen der Männer und Franen die Frohn und die Gnade der Gewohnheit kennen lernen, ohne die das Leben dieser Menschen untragbar gewesen wäre. Er wird in die Großstadt gehen und mit haßerfüllten Augen den mühelosen Gewinst entstehen sehen, seinen Wegen nachspüren und die Faust ballen: Auf den Tag! Er wird das Eleud einer ideallosen, einer zerrissenen Jugend erfahren. Wird in den Nöten der Zwanzigjährigen die der Menschen am klarsten begreifen. Er wird die brutalen Kinnbacken der Herren des Kapitals, nicht aller, aber vieler sehen und den lodernden Haß oder die stille Resignation ge­knechteter Arbeiter aller Stände, des Geistes uud der Hand spüren: Auf den Tag!

Er wird sehen, wie die Kraftquelle der Welt, die Geistesarbeiter, in die Knecht­schaft der Haudarbeiter geraten: Der Weg zur Verelendnng der Welt! Wie damit der letzte Pfeiler gegen krassen Materialismus unterspült wird! Er wird auch sehen, daß positive Geistesmacht Ohnmacht gegen Triebe und Zufall und Kritik ist, nicht mehr als ein Schlagwort, unfähig ihrer Bändigung. Daß Wort uud Schrift überschätzte, allenfalls langsam wirkende Kampfmittel sind!

Er wird in den Wissenschaften spüren, sie achten und damit seine Welt vertiefen. Wird die Wissensüberlastung hassen als den Damm, der die freie Entfaltung von Persönlichkeiten hemmt, ebenso wie den Bildungsdünkel, der zum Gegensatz der Geldklassen die Klassenkluft der Bildung schafft.

Er wird Kaufmann werden uud die Methoden sehen und lernen, daß der Anstand nnr bei Wenigen zu finden ist, diese aber siechten dahin, wurden getreten und beiseite gestoßen.

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