Heinrich Landahl
Grrvachen zur Politik
Von Heinrich Landahl Sekretär der Deutschdemokrcitischrn Partei
^)as deutsche Volk ist unpolitisch seinem ganzen Wesen nach, das war vor dem Kriege das große Schlagwort, das allen fortschrittlichen politischen Forderungen entgegengestellt wurde. Und der Satz war richtig für die große Mehrheit des Volkes, war richtig für fast uns alle wohl, die wir 1914 hinauszogen.
Auch ich persönlich war völlig unpolitisch, wie meine ganze Familie. Das blieb auch so, solange ich draußen im Felde war. Mit politischen Gründen hatt« meine freiwillige Meldung genau so wenig zu tun wie die der anderen Kriegsfreiwilligen. Wir hatten rein aus vaterländischem Pflichtgefühl, in absoluter Selbstverständlichkeit uns zum Heeresdienst gedrängt. Als ich dann aber frühzeitig schwer verwundet wurde, ein Jahr lang im Lazarett lag und dann auf der fast völlig verwaisten Universität noch mitten während des Krieges mein Studium wieder aufnahm, da regten sich znm ersten Male in mir politische Gedanken. Ich empfand immer mehr ein politisches Pflichtgefühl. Das entsprang zunächst deut immer unerträglicher werdenden Gefühl: draußen stehen noch immer deine Kameraden, jeden Augenblick bereit, Blut uud Leben zu opfern. Sie verlieren ein Jahr nach dem andern, während du hier schon wieder an deiner Berufsausbildung, für dein persönliches Leben arbeitest. Bei der Überfüllung aller akademischen Berufe gewinnst du ungewollt einen Vorsprung uud Vorteile gegenüber deinen Kameraden, die erst Monate, vielleicht Jahre ' später unter noch ungünstigeren Bedingungen da anfangen können, wo du jetzt schon stehst. Immer unerträglicher wurde dieses Gefühl, immer drängender das Verlangen, eine Möglichkeit zu finden, auch hier iu der Heimat, abgesehen von sozialer Hilfs- tütigkei!, die für nns alle selbstverständlich war, unserm vaterländischen Pflichtgefühl in irgeudeiuer Weise Genüge zu tun.
Bei meinem Suchen und bei meinem Nachdenken über Deutschlands gegenwärtige Lage und zukünftiges Schicksal wurde mir immer klarer, daß, gautz gleich wie der Krieg auch ausgehen möge, die politischen Aufgaben Deutschlands nach dem Kriege noch viel größer und schwieriger sein würden als die militärischen während des Krieges. Deun für militärische Aufgaben war unser Volk vorbereitet uud erzogen, für politische fehlte dein Volt als solchen: jede Vorbildung, jede Übung uud lZrfahruug uud damit auch die einfachsten Fähigkeiten' und Kräfte. Wir alle waren ja damals noch von einem deutschen Sieg überzeugt und ahnten nichts von den uueudlich viel größeren und mannigfaltigeren Schwierigkeiten, die uns die deutsche Niederlage bringen mnßte und gebracht hat. Je mehr ich fühlte, wie vollkommen unvorbereitet Deutschland den" politischen Aufgaben, die seiner bei uud uach Beendigung des Krieges warteten, gegenüberstand, desto fester wurde in mir die Überzeugung, daß gerade wir Jungen alle, die wir nicht' mehr draußen in: Felde mit unserm Leben das Vaterland verteidigen konnten, die Pflicht hatten, alle unsere Kräfte daran zu setzcu, diesem Mangel, soweit wir konnten, abzuhelfen. Ich war mir natürlich klar, daß unsere Arbeit für die nächsten politischen Aufgaben des Reiches noch keine Früchte zeitigen konnte, da ja unsere politische Mitwirkuug erst in einem Jahrzehnt etwa in Frage käme. Das durfte uns aber nicht davon abhalten, die als notwendig erkannte Pflicht in Angriff zu
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