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Arbeitsdienstpflicht
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Geh. Berg rat Prof. Dr. Curt Gagel

Arbeitsdienstpflicht

von Geh. Bergrat Prof. Dr. «Lurt Gagel

!^ach dem Versailler Sch andfrieden" haben wir außer Elsaß-Lothringen nicht nur zwei von unseren wichtigsten landwirtschaftlichen llberschußprovinzen: West- Preußen und Posen fast völlig verloren, unsere konsumierende Großstadt- und Jndustriebevölkerung aber restlos behalten, wir haben auch aus den abgetretenen Landesteilen noch eine große Anzahl Rückwanderer ins verbliebene Reichsgebiet zurückbekommen der Erfolg ist, daß uns jetzt für 34 Monate not­wendige Lebens Mittel fehlenl Diese fehlenden Lebensmittel haben wir nach wie vor aus dem Ausland gekauft, aber nicht wirklich bezahlen können, da wir erstens auch nicht annähernd mehr die nötigen Gegenwerte durch unsere Industrie erzeugen und da wir zweitens den größten Teil des Ertrages unseres Jndustrieexportes zur Beschaffung der Devisen für die Erfüllung unserer Reparations"verpflichtungen verwenden mußten. Der Erfolg dieser Tatsachen ist, daß die schwebende, ungedeckte Reichsschuld sich jetzt auf auf 245»/« Milliarden Mark beläuft und daß unsere Papiermark deswegen nur noch 2,29 Pfennige Wert hat! Mit dieser wertlosen Papiermar! müssen wir die unS fehlenden 2 Millionen Tonnen Brotgetreide im Ausland so sinnlos teuer bezahlen, daß für dieVer­billig ung" des Brotes, das auf die Brotkarten abgegeben wird (und das notabene doch noch 7.80 Mark kostet) im Wirtschaftsjahr 1921/22 16,4 Milliarden Mark Reichszuschuß erforderlich sein würden! Jetzt aber nach Cannes fällt der Reichsverbilligungs"zuschutz fort und das Brot wird also um 75 Prozent teurer! Da mit dem Stillstehen der Banknotenpresse aber nun auch alle Gehaltsaufbesserungen, Teuerungszulagen, Lohnerhöhungen usw. der staatlichen und städtischen Arbeiter aufhören, so sind die notwendigen Folgen nicht schwer zu erraten wir stehen vor einer unerhörten Teuerung und den schwersten revolutionären Erschütterungen, denn unsere Arbeiter haben immer noch nicht begriffen, daß die Folgen eines ver­lorenen und so unglaublich sinnlos und vernichtend verlorenen Krieges nicht verkürzte Arbeitszeit und verminderte Produktion sein können, sondern vermehrte Arbeit sein müssen, wenn wir nicht verhungern und das satanische Wort Clemenceaus von denvingt millions ds trop" wahr machen wollen. Das sind die dürren, erwiesenen Tatsachen, denen wir ins Auge sehen müssen.

Im Dezember hat nun der Reichsausschuß der Deutschen Landwirtschaft als dringendstes Gebot der Stunde und als das einzige, was uns noch retten kann, die möglichste Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch Intensivierung der Betriebe und deren Erhöhung auf bzw. Steigerung über ihrer alte Friedens­leistungsfähigkeit, sowie durch m ö g l i ch st e U r b a r m a ch u n g und Kulti­vierung des noch in Deutschland vorhandenen Ödlandes und Unlandes bezeichnet.

Wir haben im Deutschen Reich nach amtlicher Statistik mindestens 8.7 Millionen Hektar Ödland und Unland, also soviel wie eine große preußische Provinz, davon reichlich IV2 Millionen Hektar Moorödland, das wegen über­großer Nässe keine Erträge liefert (ich nenne nur die riesigen Moore in Ost­friesland und Oldenburg, im Havelländischen Luch usw.) und über 2 Millionen Hektar Sandödland (Heide), das aus dem umgekehrten Grunde, wegen zu großer

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