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Das amerikanische Credo :
(Fortsetzung aus Heft 7)
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H. L. Mencken, Baltimore

trauriger Berühmtheit erlangte und der Verfasser als ein Geselle beurteilt wurde, der in anständiger Gesellschaft nicht zu erscheinen und sich geräuschvoll und un­manierlich die Nase zu putzen pflegte.

Natürlich herrscht auch in England eine bestimmte Scheu vor den elemen­taren Wirklichkeiten des Lebens; sie scheint dein Angelsachsen im Blute zu liegen. Das erklärt den Schauder, den der Engländer vor den ausländischen Krämer- literaten empfindet, wie z. B. vor Leuten vom Schlage des als Ire maskierten Schotten George Bernard Shaw und G. K. Chestertons. Shaws Theaterstücke, die einstmals ganz England in Ekstase versetzten, wurden von den Franzosen, einem realistischen und freimütigen Volke, als eine gedrängte Übersicht von Selbstverständlichkeiten angesehen und in Deutschland von allen, mit Aus­nahme des Mittelstandes, welcher derJntelligentia" des Angelsachsentums entspricht, mit Nasenrümpfen aufgenommen. Aber in Amerika wurden sie in noch höherem Maße als in England für echt satanisch gehalten. Ich werde wirklich die Bangig­keit nicht vergessen, mit der das amerikanische Publikum zuerst dem geistlosen Ge­plapper von Handgreiflichkeiten lauschte, das in den StückenMensch und Über­mensch" <Msn anä supernmn) undMan kann es nie wissen" (Vou never can teil) zu Gehör gebracht wurde. Es war ganz ebenso, als wenn eine alte Jungfer hinter verschlossenen Türen begierig liest,was jedes 45jährige Mädchen wissen mutz" (vvtmt ever^ oi kort^-nve slioulcl Know).

Was Chesterton anbetrifft, so bereiteten seine banalen Argumente zugunsten des Alkohols so großes Ärgernis im Lande, daß seine früheren, dem religiösen Aberglauben geleisteten Dienste, in Vergessenheit gerieten und er heute von an- ständigen Amerikanern nur selten genannt wird. (Fortsetzung folgt)

Französische Resonnanz der Grenzboten

Die sich allmählich wieder auf die Wirklichkeit besinnenden Franzosen scheinen das Bedürfnis zu haben, nach so langer geistiger Blockade (wobei nicht ganz fest steht, wer der Blockierte war) nun doch auch auf deutsche Stimmen zu horchen. So hat die alte, im besten Sinne konservative ZeitschriftCorrespondent" sich dazu entschlossen, in einer Zeitschriftenschau eine Reihe deutscher Aufsätze, ins Französische übertragen, abzudrucken. Aus den Grenzboten haben sie drei ausgewählt: Los vom Französischen (Dr. Jakobi), Nußlands Auferstehung (v. Berthelsdorfer), Totenkult des modernen Frankreichs (Dr. Nobel). Während es sich bei dem Zweiten Wohl mehr um sachlich zuverlässige Informationen handelt, liegen offenbar bei den beiden anderen wesentlich andere Motive des Abdrucks vor. Unsere Leser werden sich erinnern, daß der Aussatz Dr. Jakobis als Gegenmaßnahme gegen den Vernichtungswillen Frankreichs einen Boykott der französischen Sprache in Deutschland vor­schlug. Der wortgetreue Abdruck dieses Aufsatzes, der den Franzosen einige Peinliche, aber desto begründetere Wahrheiten sagie, soll sicherlich die Notwendigkeit einer noch größeren französischenKuliur"-Propaganda demonstrieren. Im Beitrage Dr. Nobels wurden in sachlicher, ruhiger Weise die Positiven und negativen Seiten des französischen TotenknltS dargestellt, und in diesem Totenkult auch ein gewisser Religionsersatz für dieweit­verbreitete Irreligiosität Frankreichs" gesehen. Die französische Übersetzung läßt malitiöser- Weise das Wortweitverbreitet" weg, so daß der Eindruck entstehe» muß, als ob Dr. Nobel ganz Frankreich als irreligiös hinstellen wollte natürlich ein Irrtum, unser deutsches Urteil über andere Länder wird nicht so leicht wie das französische durch Ressenti­ment getrübt; wie der Correspondent auch aus dem Aufsatz des gleichen Verfassers im Hochland") ersehen kann, der Frankreich jedenfalls gerecht wird. Daß eS sich aber im übrigen mit dem vom Grabe des unbekannten Soldaten ausgehenden Totenkult schon so verhält, wird in einem Aufsatz eines der letzten Nummern derKevue criticnie" offen ausgesprochen. Der Aufsatz heißt: Lous l'^cr c!e l'riompbe ou la naisssnee ä'un culte; dieser Kult soll natürlich nationalistisch sein, und den alten Katholizismus überwuchern, ja es wird mit der Möglichkeit gespielt, den unbekannten Soldaten unter die Heiligen zu schmuggeln!

*) Nobel: Pariser Tagebuch, Hochland, Februarheft Seite 537.

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