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Das amerikanische Credo. I.
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D as amerika » isch e Credo

kirchliche Gemeinschaft, eine Gewerkschaft, eine politische Partei, eine armselige Brüderschaft oder was es sonst noch von dergleichen schönen Dingen gibt. Nicht selten gehört er sogar mit der gleichen unbeirrbaren Treue mehreren Verbänden an. Überdies ist sein Leben, wie bereits erwähnt, durch Gesetze geregelt, die ihm fast jede Kleinigkeit seines öffentlichen und persönlichen Verhaltens vorschreiben mid jedes Zeichen des Ungehorsams mit schrecklicher Härte strafen. Und diese Gesetze werden von den Polizisten nachdrücklich geltend gemacht, die jede zufällig« Lücke aus dem Stegreif ergänzen und ihre Amtsgewalt in vollendetem Sinne als Kerkermeister, als Tierbändiger und als Rekrutenunterosfiziere ausüben.

Abgesehen von ihrer speziellen irrigen Auffassung, sind die Engländer und Franzosen auch noch an dem allgemeinen Irrtum stark beteiligt, in dem sich alle Ausländer befinden. Sie machen den Fehler, mit fast apodiktischer Sicherheit vor­auszusetzen, daß die Amerikaner eingefleischte Mammoniften sind, denen der Dollar über alles geht. Diese Auffassung ist überall auf dem europäischen Kontinent verbreitet. Dem Demschen bedeuten die Vereinigten Staaten das Dollarland vollariea und die wichtigste Persönlichkeit in Amerika scheint ihm nächst dem Schutzmann, der Bestechungsgelder einsteckt, und dem schnüffelnden Tugendrichter, der ein öffentliches Amt bekleidet, die Dollarprinzessin. Der Italiener stellt sich unser Land gewissermaßen als wüste Wildnis vor, wo restlos alles. - von der Religion bis zur Schönheit, von der gebührenden Muße bis zum Menschenleben dem Profit geopfert wird. Die Stimmung, mit der er über das Weltmeer fährt, hat viel Ähnlichkeit mit dem Eifer, mit dem unsere abenteuerluftigen Schuljungen durchzubrennen pflegten, um gegen die Indianer zu kämpfen. Einige, die vom Glück begünstigt sind, kehren nach ein paar Jahren mit einem Vermögen und prahlerischen Räubergeschichteu in die Heimat zurück; anders, die den Eingesessenen nicht gewachsen sind, werden im Dienste hingemordet und finden ihr Grab unter der Schlacke jener fürchterlichen, gottverlassenen Bergwertsstüdte. Vom ersten bis zum letzten Tage ist ihr ganzes Sinneu darauf gerichtet, sich wieder aus dem Staube zu machen; jeder Italiener wünscht nur. so schnell als möglich mit seiner Beute das Weite zu suchen und sie in irgend einem stillen Tal zu genießen, wo Leben und Besitz vor anderer Leute Habgier einigermaßen sicher sind. Ebenso denkt der Russe, der Skandinavier, der Bergbewohner aus dcm Balkan und auch der Grieche und Armenier. Wenn sie sich ein Bild von Amerika machen, so bedeutet es für sie nur den Schauplatz eines übermenschlichen, erbarmungslosen Kampfes um das Gold, in dem die Einsätze hoch und die Weltkämpfer oemeniprechenv leidenschaftlich sind. Nach ihrer Memung ist der Amerikaner ein Mensch, für den mit Ausnabme des Dollars nichts unter der Sonne irgend welchen Wert besitzt, weder die Wahrheit, noch die Schönheit, noch die philosophische Be­schaulichkeit oder die herkömmlichen Anstandsformen im menschlichen Verkehr.

Diese Anschauung enthält natürlich viel Übertriebenes und Unverstandenes, trotz der Tatsache, daß sogar die Amerikaner, die sie immer wieder zu hören bekommen, ihr durch die Gewohnheit schließlich eine gewisse Berechtigung zugestehen. Die Selbsterkenntnis läßt, wie bereits erwähnt, den Amerikaner arg im Stich und im vorliegenden Falle täuscht er sich fast ebenso, als wenn er sich selbst zum freiesten Menschen krönt zum Freibürger mit der ungefesselien Hand und loderndem Angel Was den Ausländer anbetrifft, so verfällt er in den typischen Frendschen Fehler, seine eigene größte Schwäche in andere hineinzuprojizieren. Tatsächlich ist er, nicht aber der eingeborene Amerikaner, ein unverbesserlicher, gedankenarmer, gieriger Geldsucher. Er kommt nach den Vereinigten Staaten, um Geld, Geld und nochmals Geld zu gewinnen, und indem er unbeirrt diesem einzigen Ziele zusteuert, nimmt er fälschlicherweise cm, daß der Amerikaner dasselbe Geschäft betreibt und zwar in derselben fanatischen Melhode wie er. Von dem ganzen vielgestaltigen, bunten Leben des Landes ist er mit Ausnahme des einen Aktes, des Gelderwerbs, fast hermetisch abgesperrt und so zieht er den Schluß,