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Die Generation unserer Väter
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Otmar Best

Die Generation unserer Väter

von Otmar Best I.

9er deutsche wie der europäische Zusammenbruch ist zugleich der Bankrott einer Generation.Schuld ist dies ganze Geschlecht." Es ist die Generation, die um 1890 in Deutschland allzu rasch zur Macht gelangte, nachdem die Generation des Kaisers Friedrich fast ausgefallen war, und die heute noch die obersten Führer stellt.

(Zugleich die Generation, die um 1890 auf den Unglücksgedanken kam, uns in die Welt zu setzen. Wahrhaftig, ein gesegnetes Geburtsjahr: 1914 just das gesetzliche Alter, um die ganze Schwere des Krieges vier Jahre lang zu tragen, dann das Chaos und darauf über 40 Jahre Schuldknechtschaft. Es ist nicht zu sagen, wie wir uns auf das Jahr 1957 freuen, in welchem uns nach dem Neparationsplan endlich ein schuldenfreier Lebensabend winkt im Alter von 70 Jahren!)

II.

Die Geileration unserer Väter übernahm 1890 ein herrlich blühendes Reich, dessen Adler seine Schwingen zur Welimacht breitete. Dieses Erbe von 1890 haben die Herren in wenigen Jahrzehnten verwirtschaftet. Was sie uns hinter­lassen, ist Konkurs. Schicksal? Nein, auch Schuld. Wessen Schuld? Schuld der Sozialdemokratie? Hat sie nicht, in pazifistisch - internationalem Denken befangen, die ständige außenpolitische Bedrohung der Nation unterschätzt? Oder hat sie vielleicht umgekehrt die soziale Frage zu wenig energisch verfochten, so daß diese im unglücklichsten Moment, im Kriege, den nationalen Behanptungs- willen zersplitterte? Schuld der Demokratie? Hat sie über innenpolitischen Wünschen die Außenpolitik übersehen, oder hat sie dem Gottesgnadentum zu wenig Widerstand entgegengesetzt? Schuld der Rechten? Hat sie vielleicht die Monarchie zu lange vor den Gefahren des allgemeinen Wahlrechts geschützt, bis die Kaiserkrone gewaltsam zerbrach, oder hat sie durch nationale Überspannung der Einkreisung Vorschub geleistet? Schuld des Militarismus oder des Pazifismus? Schuld kaiserlicher Selbstherrlichkeit oder Schuld der Landesfürsten, die von ihren verfassungsmäßigen Einspruchsrechten zu wenig Gebrauch machten? Schuld der Diplomatie oder desZenlralrindviehs" (Eckardstein)? Schuld des Volkes, von dem der Kaiser sagen konnte:Was wollen sie denn es jubelt uns ja alles zu?" Oder Schuld derer, die es im Untertanenverstand erhielten?

Über all diese Fragen kann die Geschichte heute noch nicht endgültig urteilen. Zweierlei aber ergibt sich aus Briefen und Erinnerungen: erstens: von jedem Standpunkte aus wurden die Fehler gesehen; zweitens: aber alle ließen den Karren laufen, wie er lief, bis in den Abgrund. Sagt man zu viel, wenn man

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