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Blücher und Bismarck
Gängelbande der Zeitungen und Parteien losmachten und ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen selbst in die Hand nähmen. Dazu ist aber freilich eine Voraussetzung, daß sie sich über die innere politische Lage selbständig unterrichteten und vor allen das Grundbuch dafür, die Verfassung, ordentlich kennten, dann würden sie sich schon ohne Bearbeitung von Parteiorganen durch eigne Gedankenarbeit weiterhelfen können. Jeder deutsche Reichsbürger müßte sich doch eigentlich schämen, daß er seine Verfassung nicht kennt. Er frage einmal einen Bürger der Schweiz nach der seinigen, der kennt sie gewiß. Und die deutsche Reichsverfassung ist faßlich, leicht zu verstehn, denn in ihren Hauptsätzen besteht sie noch in dem Diktat Bismarcks an Lothar Bucher. Diese zum Teil noch rein persönliche Arbeit Bismarcks hat sich als ein Werk von dauerndem Bestand erwiesen, und schon darum sollte jeder Deutsche es genau keimen. Es wäre eine wahrhaftige Bismarckehrung des deutschen Volkes, eine würdige Aufgabe für die Gebildeten der Nation und des Schweißes der Edeln wert, für dieses Meisterstück der Staatskunst, für dieses bewährte Einigungsmittel des deutschen Vaterlands in seinem echten Sinne und bis auf den letzten Wortlaut wider jedermann einzutreten. Dem Dentschen Reiche und seinen Söhnen könnte das nur zum Segen gereichen.
Blücher und Bismarck
von G. v. Bismarck in Dessau (Schluß)
n der Entwicklung hervorragender Männer Pflegen sich die Keime der Eigenschaften, die als Haupttriebkräfte ihres besondern Wirkens und Schaffens betrachtet werden müssen, frühzeitig geltend zu machen. Dazu kommt natürlich der besondre Einfluß des Nährbodens. Blücher und Bismarck sind hierfür der Beleg. Als Sprossen des alten Landadels, der sich nach Herkommen und Neigung seit Geschlechtern dem Waffendienste widmete, entweder als Lebensberuf oder nur bis zur Übernahme des ererbten Besitzes, war ihrer beiderseitigen Individualität von vornherein das bestimmte Gepräge aufgedrückt, wie es sich infolge der alten, engen Wechselbeziehungen beider Berufe im Laufe der Zeit als ein Typus ausgebildet hatte. Daher auch neben dem Vollbewußtsein ihrer Eigenschaft als preußischer Offizier der sich immer wieder einstellende Hang zum landwirtschaftlichen Berufe.
Auf dem Lande geboren und während seiner frühesten Jugendzeit dort erzogen ist nur Bismarck; erst später übernahm die Stadtschule seine geistige Ausbildung. Blüchers Geburtsort ist Rostock, dort empfing er auch seinen ersten Unterreicht, dort waren Bürgerkinder seine Spielkameraden. Aber gerade dieser frühzeitige Umgang mit den Söhnen von Hanseaten war für ihn von bleibendem Einfluß. Alles was er sah, was ihn umgab, Handel und Wandel,