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Jesuitenfrage und konfessionelle Polemik :
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Iesuitenfrage und konfessionelle Polemik

meinte der Ritter von Ponteuxin, baut man keine Eisenbahnen. Aber in diesem modernen Menschen ist weder der Gottesglaube noch der Charakter stark; er kann sich darum nicht gleich den starkmütigen und ihrer selbst gewisseu Jesuiten, Hugenotten, Calvinisten und Puritanern des sechzehnten und des siebzehnten Jahrhunderts als Werkzeug Gottes fühlen, wenn er rücksichtslos seine Zwecke verfolgt. Er hat in seiner Zwiespältigkeit ein schlechtes Gewissen, uud darum will er den Trost aller Schwächlinge: er will Menschen, die schlechter und böser sind als er, die nicht bloß gelegentlich und aus Schwäche, sondern mit diabolischer Verruchtheit grundsätzlich und planvoll verbrecherisch handeln, und über die er sich moralisch erhaben fühlen darf, und darum hat er sich den Jesuitenpopanz zurecht gemacht; und darum dürfen die Jesuiten auch nicht nach Deutschland zurückkommen, weil sie durch ihre Gegenwart beweisen würden, daß sie die Scheusale nicht sind, für die man sie ausgibt.

Daß man sie nicht in die Schulen hineinlassen darf, darin bin ich mit ihren Gegnern einverstanden. Notwendig sind heute überhaupt keine Ordens­schulen mehr, da wir übergenug tüchtige weltliche Lehrer haben, und wenn auch katholische Ordensschulen der evangelischen Kirche und dem Protestan­tismus viel nützen und gar nicht schaden würden, so darf es doch dem Staate nicht gleichgiltig sein, wenn ein Teil des Volks verdnmmt und seelisch ver­krüppelt wird. Überhaupt haben Staat und Volk Grund zur Abwehr ultra- moutaner Übergriffe, denn es gibt, wie eingangs bemerkt worden ist, einige Punkte, in denen die Katholiken auch im einzelnen Unrecht haben. Gerade diese Punkte werden in der Polemik am wenigsten hervorgehoben; im ewigen Gezänk ist, wie ich früher schon einmal gesagt habe, die Fähigkeit verloren gegangen, zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem, zwischen wirklichen und bloß eingebildeten Übergriffen zu unterscheiden. Wenn der Bau katholischer Kirchen in protestantischen Gegenden als römische Propaganda denunziert wird, so ist das wahrheitswidrig, nnd wenn man die Herrschaft des Papstes über Deutschland beklagt oder vor der geheimnisvollen Macht der Jesuiten erschaudert, so ist das lächerlich. Dagegen sind die Proteste gegen die wirk­lichen Friedensstörungen, die der wiedererwachte mönchische Orthodoxismus und Fanatismus gewagt haben, viel zu mild ausgefallen. Jedem von ihneu gegenüber war ein würdiger, einmütiger Protest des ganzen nicht ultramon­tanen Deutschlands angezeigt. Ich meine zunächst die verschiednen Reliquien­ausstellungen. Wird darüber gespottet, so pflegen sich die Katholiken auf den profanen Kult von Reliquien großer Männer zu berufen; ähnlich auf die ver­schiednen Arten von altem Volksaberglauben und neuein Schwindel, wenn ihnen ihr Aberglaube vorgerückt wird. Sie übersehen nur den wesentlichen Unterschied, daß Luthers Tintenklecks auf der Wartburg, das Kartenschlagen und die magnetischen Wunderkuren keine Einrichtungen der evangelischen Kirche sind, die Benediktusmedaillen aber und die durch priesterliche Weihe mit allerlei Heilkraft versehenen Wässer, Kerzen, Rosenkränze und Bilder sowie die Reliquien zu den Einrichtungen der katholischen Kirche gehören. Wie man das Anstößige mit theologischen Spitzfindigkeiten hinwegzudisputieren ver­sucht, weiß ich natürlich.) Dann die Unverschämtheit Denifles, nicht allein