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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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hängig machen könnten. Auf Einzelheiten soll hier nicht weiter eingegangen werden, jedenfalls hat man die Erfahrung gemacht, daß Bescheidenheit in der Forderung diesen Leuten gegenüber so wenig am Platze ist wie Entgegenkommen in der Haltung. Für diesesmal behält der verständigere Teil des Zentrums Wohl noch die Oberhand, namentlich die preußischen Abgeordneten empfinden in ihrer Mehr­heit die Unertrnglichkeit, sich von ihren radikalern bayrischen Parteigenossen so terrorisieren zu lassen, wie diese es im bayrischen Landtage mit so großem Erfolge auch der Regierung gegenüber treiben. Auf feiten der Militärverwaltung besteht die feste Überzeugung, daß die Verstärkung der viele Jahre arg vernachlässigten Reiterwaffe vernachlässigt aus finanziellen Rücksichten unnmchr zn einer unerläßlichen uud unaufschiebbaren Notwendigkeit geworden ist. Das anzustrebende Minimum erheischt fünfzehn neue Regimenter, von denen die Militärvorlage leider nur neun, und auch diese uuter Anrechnung der bestehenden siebzehn Eskadrons Jäger zu Pferde gefordert hat. Preußen soll sechs, Bayern ein und Sachsen zwei Reiterregimenter aufstellen; wie die noch nicht geforderten sechs Regimenter zu verteilen wären, ist noch nicht mitgeteilt worden, doch kann man annehmen, daß fünf auf Preußen, eins auf Bayern kommen sollen. Sachsen würde also für seine gänzlich kavallerielose vierzigste Division jetzt endlich eine Kavalleriebrignde erhalten nnd damit acht Reiterregimenter haben. Für Bayern würde uach Aufstellung des einen neueu Regiments immer noch eiu zwölftes fehlen; zurzeit hat die sechste bayrische Division ebenso wie die vierzigste in Sachsen keine Kavallerie. Reiter­regimenter lassen sich nicht improvisieren. Will man fünfzehn neue Regimenter aufstellen, so gehört dazu die Vorbereitung des Offizier- und des Nnteroffizicr- ersatzes sowie der Remonten. Rechnet man auf die Schwadron nur 135 Pferde, so verlangen dreißig ueue Schwadronen über 4909 Pferde, und die deutsche Pferde- züchterei ist auf einen solchen Mehrbedarf nicht eingerichtet. Die Tiere müssen, zum größern Teil wenigstens, erst gezüchtet werden, will man den Wert unsrer jetzt vortrefflich bertttnen Kavallerieregimenter nicht schmälern.

Schon für die jetzt geforderten neun Regimenter ist mit Schwierigkeiten dieser Art gerechnet und deshalb ihre Verteilung auf fünf Jahre vorgesehen worden, obwohl von den 45 Schwadronen schon 17 als Jäger zu Pferde vorhanden sind. Nm so richtiger wäre es also wohl gewesen, auch die Fristen für die noch nicht geforderten 39 Schwadronen (6 Regimenter) jetzt gleich gesetzlich festzulegen. Nach­dem seit dem Kriege keine Vermehrung der Kavallerie mehr eingetreten ist, hat sich die Nation leider des Gedankens entwöhnt, daß eine solche notwendig werden könnte. Unverständige Militär- und Nichtmilitärschriftsteller haben alljährlich in Manöverberichten und sonstigen Zeitungsartikeln bewiesen, daß die Zeit für die Kavallerie bei den heutigen Feuerwaffen vorüber sei, die Reiterwaffe werde zu einer Paradespielerei und sei einer Einschränkung fähig. Wir haben in der Tat fünf neue Armeekorps und zwei nene Divisionen aufgestellt (das 16., 17., 18. und 19., sowie das 3. bayrische Armeekorps und zwei dritte Divisionen beim 1. und 14. Armeekorps) ohne ein einziges Kavallerieregiment zu errichten, während zwölf Divisionen eigentlich ein Minimum von 24 Regimentern, nach der seinerzeit von Kaiser Wilhelm dem Ersten aufgestellten Norm von 6 Regimentern für das Armerkorps sogar deren 36 haben müßten. Man kann daraus entnehmen, wie außerordentlich bescheiden die Forderung von nur 15 Regimentern ist noch nicht die Hälfte und auch diese auf einen kaum absehbaren Zeitraum verteilt! Mit diesen neuen fünfzehn Regimenter» werden wir nach sechs bis acht Jahren für die Kriegsformation je ein Regiment für die Infanteriedivision und zehn Kavalleriedivisionen erhalten. Anch dann werden im Kriegsfalle für die Festungs­und Küstenbesatzungen, für Okkupations- nnd Etappenzweckc usw. immer noch Reserve­kavallerieregimenter in größerer Anzahl nötig sein. Außerordentlich töricht ist dabei die Annahme, daß die Niederlage Rußlands in Ostasien eine militärische Er­leichterung für uns bedeute. Erstens ist gerade Kavallerie von nnsrer Ostgrenze wenig nach Ostasien abgezogen morden, zweitens liegt die Gefahr eines Polnischen