Beitrag 
Bilder aus dem deutsch-französichen Kriege : aus dem Nachlaß. 4. Ein zündender Blitz :
(Schluß)
Seite
343
Einzelbild herunterladen
 

Bilder aus dem deutsch-französischeil Kriege

343

schnitzer. Es ist eine Art Aberglaube, daß ich und meine Frau es nicht gern aus­sprechen, so wie man beim Gewitter nicht vom Feuer spricht. Das Kind lernt das von seinen Spielkameraden, Der Krieg ist eine Strafe Gottes, zu hoch und zu schwer zum Spiel.

Da muß ich mir einen Vorwurf machen, die Erinnerung daran in Ihr stilles Hans gebracht zu haben, meinte ich.

Tut nichts, sagte er, indem er mir zum Abschied die Hand reichte, verschont uns nur der Krieg selbst. Und dazu hat es ja nun allen Anschein. Adieu, Lands­mann, komm glücklich heim nnd grüße das bndische Ländle.

Den nächsten Morgen erhoben wir uns um vier Uhr, um zu füttern, die Nacht war kalt und sternenreich. Wir warfen uns noch für eine halbe Stunde aufs Stroh uud hörten mit Behagen dem Kauen und Mahlen der Pferde zu. Da plötzlich rasch hintereinander fünf oder sechs Schüsse, dem Klang nach aus Henry­gewehren, dann verworrenes Geschrei. Näherte es sich uns? Unsre Karabiner waren zur Hand. Man schien den RufFeuer" ganz in unsrer Nähe auszustoßen. Im Nu war die Stalllaterne in einen Winkel gestellt, wo ihr Licht uns nicht verraten konnte, dann das Tor weit geöffnet. Das Sternenlicht genügte nicht, die Straßen zn erleuchten, man mußte dem Ohr allein vertrauen, das aber nur den Laut des Öffnens und des Schließens der Fenster nnd der Türen und von Schritten vernahm, die nicht in unsrer Richtung zu gehn schienen. In den Fenstern des Geistlichen war Licht, sonst alles dunkel. Da wurde es vom obern Dorfe her Heller, als ob dort der Vollmond aufgehe, aber das war keine Mondnacht. Zuckende Widerscheine hätten an ein Nordlicht denken lassen, wenn nicht in demselben Augenblick auf­sprühende Funkengarben den Brand gemeldet hätten. Es war dem Anschein nach eine Schenne in Brand geraten. Aber die Schüsse? Die Möglichkeit eines Ge­fechts mit deutschen Soldaten war hier ausgeschlossen. Wo sollten sie und wo ihr Gegner herkommen? Für eine etwaige Streiftruppe der Franzosen wäre doch der Uberfall unsers kleinen Postens, von dem die ganze Gegend wußte, das Nächste gewesen. Wir rieten auf Wilddiebe oder Schmuggler. So saßen wir eine Stunde schußbereit, bereit auch, im Augenblick anfs Pferd zu springen und davonzureiten. Ich kam endlich auf den Gedanken, im Hause nachzusehen, ob der Geistliche zurück­gekehrt sei. Alles Klopfen war vergeblich, kein Mensch antwortete. Die Sache wurde rätselhaft. Was blieb übrig, als ohne Abschied abzumarschieren? Längeres Verweilen hatte keinen Sinn, wäre auch gegen den Befehl gewesen, der uns ein frühes Zusammentreffen mit dem Fuhrpark vorschrieb. Also vorwärts! Vorsichtig die steile Seitenstraße hinab zur Hauptstraße, in dieser nordwärts znm Ausgang des Dorfes. Es schienen sich mehrmals Fenster beim Schall der Hufe zu öffnen, ober kein Kopf wurde sichtbar. Ein Begegnender, den wir anriefen, verschwand ohne Antwort im Dunkeln. Da, beim Einbiegen in das Tal, wo unser Weg tal­abwärts führen mußte, stand plötzlich die Feuerstätte oben in halber Höhe am Hang des Hügels, hinter ihr gespenstisch, wie ein Riesenschatten, der Kirchturm. Mir schnürte sich die Brust zusammen. Unwillkürlich hielten wir unsre Pferde an. Das war das Haus, wo ich gestern Abend glückliche Menschen verlassen hatte. Das Häuschen war schon ausgebrannt, rauchende Balken hingen über die Brand­mauer, deren angeglühte Steine grell herausschauten, in der dicht angebauten Scheune qualmte es noch in Holzstößen, die zn Kohlenmeilern verbrannt waren, und ein stinkender Schwaden zog in der Morgenluft, das Dach war eingestürzt. Die Sterne allein strahlten ruhig herab. Stumm stand um die Stätte der Ver­nichtung eine Menge, in der sich kaum einer bewegte. Gleich darauf führte unser Weg am Tor des kleinen Kirchhofs vorbei, dessen entblätterte, sonderbar zinnen- förmig geschnittne Weißdornhecke ich vom Einmarsch her wiedererkannte. Man sah die gelben und die schwarze» Perlenkränze im Widerschein der roten Glut schimmern,