Der Offizier und die Zukunft
voi, Fritz Rern 1.
n der Geschichte der lebendigen Wesen wird ungezählte Male eine Art, seien es Pflanzen, Tiere oder Menschen, die sich ihren Lebensbedingungen angepaßt nnd ihre Zweckmäßigkeit durch Vererbung wunderbar vervollkommnet hatte, durch eine plötzliche Revolution dieser Lebensbedingungen vor die Aufgabe gestellt, in sprunghafter Umbildung und Regeneration sich der neuen Umwelt anzupassen. Gelingt ihr das nicht, so stirbt sie aus. Dabei sind hochspezialisierte Arten, die sich in langer Entwicklung einem ganz besonderen Zweck hingegeben hatten, zu der Umstellung weit weniger imstande als solche, bei denen ohnehin die Gleichgewichtslage auf normaleren Lebensbedingungen beruhte. Der Landmann überdauert als Typus alle Krisen; wie hilflos steht der Gelehrte und Künstler vor dem Untergang, wenn der soziale, wirtschaftliche und.kulturelle Organismus, der ihn als ein höchst arbeitsteiliges Organ ausgebildet oder als einen liebenswürdigen Schmarotzer geduldet hat, ihm jäh die Nahrung entzieht. Er ist nicht imstande, sich zu einem Organ des veränderten, auf verengte Ziele eingestellten Volkskörpers umzubilden, ist auch nicht imstande, außerhalb dieses Volkskörpers sich frei zu ernähren. Er verfällt dem Schicksal aller der Lebens- und Kulturtypen, deren tote Reste unsere Museen sammeln.
Ein edler Baum im Walde der Menschheit, das deutsche Volk, wurde durch Axthiebe von außen und durch inneren Zerfall totkrank. Keines seiner Organe aber ist wunder geschlagen als der Offizierstand, im Staate der erste Stand, weil vor allem er ihn geschaffen nnd durch seine Leistung in den letzten zweihundert Jahren das alte Elend der deutschen Staatlosigkeit ausgelöscht hatte. Nun zerbrach der Staat, und in dem, was an seiner Stelle wucherte, fand jener Stand keinen Platz mehr, nicht mehr den ersten und als solcher kaum einmal mehr den letzten. Grcnzboten II 1920 22