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Die politischen Testamente Friedrichs des Großen
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Der Große Kurfürst ist es gewesen, der die Grundlage zur Macht und Größe des preußischen Staates legte. So bezeugt König Friedrich nicht nur iu seinen historischen Schriften, sondern auch in den Testamenten. Noch ist Preußens Macht, erklärt er,im Entstehen begriffen". Welches war nun die Stellung, die es nach seiner Ansicht innerhalb des europäischen Staatensystems einnahm?

Zum erstenmal äußert er sich darüber in derGeschichte meiner Zeit", welche die Geschichte der beiden Schlesischen Kriege umfaßt, und die er nach deren Abschluß im Jahre 1746 niederschrieb. Darin bezeichnet er als die beiden Vor­mächte Europas England und Frankreich; sie beide ringen dauernd um den Vor­rang, Frankreich, das nach der Weltmonarchie strebt, und England, das den Welt­handel an sich zu reißcu sucht. Neben ihnen kommen als Großmächte noch weitere vier Staaten in Betracht: Spanien und Holland, Osterreich und Preußen. Auch in dem Testament von 1752 charakterisiert Friedrich England und Frankreich als Vormächte, während die übrigen Staaten nur unter dem Gesichtspunkt ihrer feindlichen oder freundlichen Haltung zu Preußen betrachtet werden. Anders im Testament von 1768. Hier erscheinen die Mächte in neuer Gruppierung. Frank­reich nnd Englaüd haben ihre führende Stellung eingebüßt: sie werden in gleichem Range mit Osterreich und Rußland als Großmächte genannt. Preußen dagegen fehlt unter der Zahl der letzteren, ebenso Holland und Spanien. Die Erklärung für diese veränderte Einschätzung liegt in der Tatsache des Siebenjährigen Krieges begründet, der für den König die große Kraftprobe der europäischen Staaten bedeutet. Wir beschränken uns auf Nußland und Preußen. Noch 1746 hatte Friedrich in Rußland nur einehalbasiatische" Macht erblickt. Im Testament von 1768 dagegen gesteht er ihr für Verlauf und Ausgang des letzten Krieges ent­scheidende Bedeutung zu; denn Nußland, so sagt er, habe die Wagschale des Sieges zuguusten der Staaten sinken lassen, ans deren Seite es trat. Damit rückte es in die Reihe der Großmächte. Und Preußen? Als Friedrich dieGeschichte meiner Zeit" schrieb, schmückte den Eroberer Schlesiens der frische Siegeskranz. Noch 1752 sprach er sich mit aller Entschiedenheit gegen Subsidienverträge aus, da sie den Empfänger der Gelder in seiner politischen Freiheit beschränkten. Jetzt, im Siebenjährigen Kriege, hatte er sich selbst zur Annahme englischer Snbsidien verstehen müssen. Auch erst, als mit dem Tode der Zarin Elisabeth Rußland aus dem Ringe der Gegner schied, hatte.-sich das politische Gleichgewicht der beiden Parteien wiederhergestellt, das zum Abschluß des Hubertusburger Friedens führte. Sieger war auch jetzt der König geblieben, insofern er Schlesien behauptete; aber von einer Großmachtsstellung Preußens wagte er nicht mehr zn sprechen.

War nach alledem der Sieg in zwei Kriegen, der ihm Schlesien eingetragen, und die Behauptung dieser neuerworbenen Provinz in einem dritten langen Kriege noch nicht hinreichend, um Preußens Zukunft zu sichern? Wie war es, fragen wir weiter, um die Ansprüche bestellt, die Preußen auf eine bevorzugte Stellung als Großmacht im Rate der europäischen Völker erheben konnte?

Mit rückhaltloser Offenheit steht der König in seinen Testamenten darüber Rede. In seinen Betrachtungen spielt eine entscheidende Rolle die geographische Lage der Monarchie. Unsere Provinzen, schreibt er, erstrecken sich der Breite nach über halb Europa; sie bilden, obwohl unzusammenhängend, ein Ganzes. Dann