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Die Deutsche Theologie
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Die Deutsche Theologie

von Dr. Gustav Ranter

s gibt Dinge, die jeder zu wünschen scheint, wobei man aber doch in die größte Verlegenheit geriete, wenn es wirklich nach Wunsch ginge. So gibt es auch Bücher, die jeder zwar lobt, die aber doch keiner derer, die sie so rühmen, auch ernstlich zum Lesen empfehlen würde. Denn sie seien zwar sehr schön und gut, aber wer nicht ganz genau wisse, was er in ihnen zu suchen habe, der schöpfe aus ihnen doch mehr Schaden als Nutzen.

Zu diesen verbotenen Büchern gehört auch jeneDeutsche Theologie" einen unbekannten Verfassers, die gerade vor nunmehr vierhundert Jahren von Luther erstmals zum Druck gegeben ist. Im Jahre 1516 fand Luther irgendwo ein kleines, wohl fchon recht zerlesenes Büchleinohne Titel und Namen", bei dessen Studium ihm die Erkenntnis kam, hier etwas überaus Köstliches entdeckt zu haben. Er nennt esEin geistlich edles Büchlein" und gab es unter dieser Bezeichnung heraus. In einer kurzen Vorrede sagt er von ihm:Aber nach möglichem Vermuten zu schätzen ist die Sache fast nach der Art des erleuchteten Doktors Tauler.Predigeroroeus. Wie dem aber auch sei, es enthält wahre, gründ­liche Lehre der heiligen Schrift und muß Narren machen oder zum Narren werden."

Dann fand Luther im Jahre 1518 noch eine zweite Handschrift, voll­ständiger als jene erste, wenn auch ebenfalls titel- und namenlos; jedoch gab eine kurze, ihr vorgesetzte Anmerkung wenigstens einen Hinweis darauf, wo man den Verfasser vielleicht zu suchen hatte, nämlich unter den Mitgliedern der Deutschordensniederlassung zu Frankfurt und zugleich unter den Angehörigen der sogenannten Gottesfreunde. Der Verfasser war also, wie wir heute sagen würden, zugleich Geistlicher und Gemeinschaftsmann, ein Umstand, der manche Stellendes Buches erst eigentlich erklärlich und überdies höchst zeitgemäß macht.

Beim Abdruck dieser zweiten Handschrist nun änderte Luther den Titel in Eine Deutsche Theologie", ein Name, der der Schrift fortan verblieben ist. In einem neuen, dieser Ausgabe mitgegebenen Vorwort sagt Luther, daß das Buch nicht mit viel Gelehrsamkeit prunke, aber doch Weisheit genug enthalte; darum sei es auch bisher als des Armen Weisheit verachtet und seinen Worten nicht gehorcht worden. Ihm sei bisher nächst der Bibel und Sankt Augustin kein Buch vorgekommen, daraus er mehr gelernt und gewonnen hätte, was Gott. Christus, der Mensch und alle Dinge seien. Er bittet dann, seine eigene