Dänische Stimmungen
von Dr. Carl Gad
ie ungewiß auch die vielen und verschiedenen Wirkungen des Weltkrieges sein mögen, eines darf man voraussehen: daß das Wort Objektivität künftig mit weniger Sicherheit ausgesprochen werden wird. Zwar gelten jetzt den meisten ihre eigenen Ansichten für objektiv, während sie ihre Gegner für stockoerblendet oder gar bewußt lügnerisch halten. Nach und nach wird wohl eingesehen werden, daß dieser Standpunkt falsch ist, daß die Wahrheit, obschon sie wohl kaum in der Mitte liegt, sich doch auch ziemlich fern von den extremen Gegensätzen findet. Wenn man sich vor dem gegenseitigen Hasse zu bewahren sucht, erkennt man, daß die Fähigkeit zu kühler, objektiver Wertschätzung in demselben Maße abnimmt, als die Leidenschaft zunimmt. Und dieses gilt nicht nur für die Kriegführenden, sondern auch für die meisten sogenannten „Neutralen". Wenn man sieht, daß nicht nur Zulässigkeit und Gerechtigkeit von verschiedenen Menschen — die sonst gleich vernünftig sind — verschieden aufgefaßt werden, sondern daß es auch unmöglich ist, im Urteil über die einfachsten geschichtlichen Begebenheiten zur Einigkeit zu gelangen, dann kann man sich kaum der Überzeugung verschließen, daß Menschen, wenn sie leidenschaftlich erregt find, das glauben, was sie zu glauben wünschen, und sich sehr wenig von Gründen und Beweisen beeinflussen lassen. In dieser Hinsicht ist z. B. die Haltung der öffentlichen Meinung in Schweden und Dänemark außerordentlich lehrreich. In Schweden ist bekanntlich die Mehrzahl deutschfreundlich, in Dänemark die Mehrzahl entmtefreundlich. Und dieses tut sich in allen Einzelheiten kund. Die Verletzung von Belgiens Neutralität, die britische Blokade- politik, die Haltung Griechenlands, selbst die täglichen Berichte von den Kriegsschauplätzen werden in verschiedener Weise aufgefaßt und beurteilt. Die Engländer schließen aus dem Urteil der Dänen, daß diese besonders vorurteilsfrei, vernünftig und rechtdenkend seien; die Deutschen glauben wahrscheinlich dasselbe von den Schweden, Ich möchte aber behaupten, daß beide Annahmen falsch sind. Der Unterschied in der Beurteilung rührt vor allen Dingen daher, daß die Voraussetzungen der Stimmung in Dänemark und Schweden verschieden sind. Über die Schweden soll hier nichts weiteres ausgeführt werden, ihre Ansichten sind ja bekanntlich von ihrer Stellungnahme Rußland gegenüber stark beeinflußt. Hier soll nur versucht werden, die dänischen Stimmungen und Betrachtungsweisen und ihre Ursachen darzulegen.