46
Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin
wird u. Abends würzen Sie es noch mit Streuzucker. Wenn Sie ein Uebriges für uns thun wollen so lassen Sie uns wissen daß Sie wohler sind, u. wenn Sie wohl, ganz wohl sind, so kommen Sie u. bleiben mit Zinsen.
Ihre herzlich ergebenen Wolf u. Sophie B.
Freytag an Gräfin Baudissin. Meine verehrte holde Freundin!
Der Pinsel, die Malve, der Schawl, die warme Stube haben ihre Pflicht redlich gethan, und wenn Sie mich überhaupt noch haben wollen, so würde ich Sie u. Herrn Grafen um die Erlaubniß bitten, Freitag gegen Mittag, der Zug geht hier um 9 Uhr ab, eintreffen zu dürfen. Doch bitte ich hoch u. höchst mir Wilhelmen nicht auf den Bahnhof zu fenden, ich finde mich als wohl- emballirtes Collo pünktlich ein, und werde mir nur seine Hilfe beim Abschälen großer Reisestiefeln ersehnen.
Ich freue mich von ganzem Herzen darauf Sie alle wieder zu sehen. Wollen Sie mich die bekannten drei Tage dulden, welche nach altdeutschem Recht dem Gast bewilligt wurden, so würde ich mich bestreben, für diese Zeit schlechte Eigenschaften, als Straßenraub und Meuchelmord zurückzuhalten. Am 22ten haben wir hier eine Lessingfeier, der ich mich dießmal nicht entziehen kann, weil ein guter Freund auf Veranlassung meines Kreises unter hiesigen Blumianern vereinsamt die Festrede hält.
Meine Frau empfiehlt sich herzlich Ihrem beiderseitigen Wohlwollen, ich sende Ihnen und Herrn Grafen noch einmal vor ersehntem Wiedersehu meine Grüße und Huldigungen als
Ihr
treuer
Freytag.
Leipzig 21. Jan. ^18^63.
Sophie Baudissin an Freytag. Lieber verehrter Freund, Haben Sie Dank sür den lieben schönen Brief u. für die gute Nachricht daß Sie kommen. Das Zimmer ist bereits im Stande, nur die Ankunftsstunde melden Sie in einer Zeile damit Wilhelm an der Bahn sei. Wir fänden uns wohl selbst ein wenn wir nicht wüßten daß der Reisende gern in der Stille sich von der Locomotive erholt. — Jawohl empfinde ich mich auch mehr u. mehr als Reisender auf dieser Welt! aber leider fehlt mir Ihre großartige Anschauung des Lebens doch; ich kann mich nur als Mitreisender ein- u. ausbürgern nur in der Freude an den Einzelnen auch die Millionen zu lieben wähnen u. wenn ich auch weiß daß nichts mein ist, so wäre ich so zu sagen garnicht, wenn ich nicht wüßte, daß ich angehöre. Das ist ein trauriges Be-