Das russische Problem
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Träger des großrussisch >moskowitischen Staatsgedankens ist aber in diesem Zusammenhange nicht etwa die wirtschaftliche Tüchtigkeit der Moskowiter, die den Grenzländern große Vorteile böte, sondern einzig und allein die Macht des internationalen Großkapitals, das über Moskau nach Petersburg geleitet, hinter den Ministern für Finanz, Handel und Verkehr, für Armee und Marine steht, und das auch in seiner französisch-englisch-belgischen Verbindung den Ausbruch dieses Krieges betrieben hat.
Wir müssen uns dessen erinnern, daß die gesamte Großindustrie mit alleiniger Ausnahme der elektrischen, die vorwiegend auf deutschem Kapital beruht, durch französisches und belgisches Geld finanziert ist. und daß die Finanzgruppen, die hinter den zahlreichen svLlötöes anonymes in Rußland stehen, im wesentlichen dieselben sind, die die russischen Auslandsanlethen besorgen. Das gilt für die Grubengesellschaften im polnischen Kohlengebiet von Dombrowa ebenso wie für die Hochöfen in Tula und die ErzHütten von Taganrog, Jeka- terinoslaw; für Waggonfabriken und Kesselschmieden, Zement, landwirtschaftliche Maschinen, Zuckerfabriken, Elevatoren und andere mehr. Und wenn neben diesen die in deutschem Besitz befindlichen wenig zahlreichen Fabriken doch eine so große Rolle spielen können, so liegt das an der Tüchtigkeit ihrer Leiter, ihrer Zuverlässigkeit und anderen moralischen Faktoren, über die die belgische und französische Konkurrenz nicht verfügt. Eine Ausnahmeerscheinung in diesem Bilde ist das Industriegebiet von Lodz, das aus deutscher Arbeit in kaum hundert Jahren herausgewachsen ist und demgemäß auch stärker mit dem deutschen Kapitalmarkt verbunden ist, als die übrigen Bezirke. Für die von uns verfochtene These ist dieser Umstand aber ohne Bedeutung, denn den großen Manufakturen von Lodz stehen ebensolche in Moskau gegenüber, die den Einfluß der deutschen schon jetzt in stets wachsendem Maße paralysieren und die bei einem Siege Nußlands über Deutschland und der Verleihung einer Autonomie an Polen einfach kaput gegangen wären.
Wollen wir das russische Problem in einer uns nützlichen, den gewaltigen Opfern des Krieges entsprechenden Weise lösen, so kann es nicht unsere Aufgabe sein, die in Frage kommenden Volksstämme mit nationalkulturellen Freiheiten zu locken, sondern lediglich durch die Aussicht auf wirtschaftliche Besserstellung. Die nationalkulturelle Freiheit wäre eine so selbständige Notwendigkeit, daß jede Erörterung über Einzelheiten derselben bereits einer Beschränkung und unnötigen Einmischung ähnlich sähe. Aber eine solche Zurückhaltung wird uns um so leichter fallen, je mehr wir uns darüber klar sind, daß wir gerade bezüglich Rußlands viel weniger gegen die in ihm vereinigten Völkerschaften — mit Einschluß der Moskowiter — kämpfen, als gegen jene Finanzgrößen Belgiens und Frankreichs, die mit der Macht ihres Geldes das russische Volk ebenso bedrücken, wie sie uns zu erdrücken trachten. Da liegt unsere Interessengemeinschaft. Das heutige Rußland besiegen bedeutet nicht seine Armeen schlagen, seine Völker unterwerfen, sondern die Herrschaft der Geldleute
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