Grundlagen des Imperialismus
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Weltreich, das „an die Kulturmission seiner Herrschaft glaubt" und dadurch seinen wirtschaftlichen und politischen Bestrebungen eine so ungeheuere Stoßkraft verleiht.
Neben dieser inneren Entwicklung ging die äußere Geschichte, beide einander gegenseitig bedingend. Cromwell schuf, von der religiösen Überzeugung durchdrungen, daß seine puritanisch-englischen Ideale Menschheitsideale seien, denen er auch durch Kampf zum Sieg verhelfen müsse, ein wehrhaftes englisches Volk; er errichtete ein starkes Volksheer und eine Flotte, die die Oberhand über Spanien, über die Niederlande gewann. Durch eine Reihe von außerordentlich wirksamen Maßregeln, von denen die Navigationsakte die wichtigste war, stärkte er die Volkswirtschaft seines Landes. So erstarkte England und vermochte in jahrhundertelangem Kampfe den Sieg über Frankreich zu erringen und in den Besitz eines ungeheueren Kolonialreiches zu gelangen. Mit dem Verblassen des puritanischen Ideals und dem Aufsteigen einer neuen kapitalistischen Weltanschauung, trat eine Unterbrechung dieses gewaltigen Umsichgreifens ein. Die herrschende Manchesterschule, an ihrer Spitze Cobden, verwarf die Eingriffe des Staates auch im internationalen Güterverkehre, bekämpfte eine kostspielige kriegerische Machtpolitik und verlangte die Abstoßung der Kolonien, die nicht rentierten. Diese Lehren führten zu der Einführung des Freihandels, zu der Enthaltung von bewaffneten Eingriffen und Erwerbes neuer unrentabler Kolonien. Als mit dem Aufsteigen anderer Völker diese Anschauungen sich überlebt hatten, gewann der Geist starker militärisch-politischer Betätigung wieder die Oberhand, in wirtschaftlicher Beziehung gestärkt und gestützt durch den modernen Kapitalismus, in geistiger Beziehung begründet durch die Lehren der modernen englischen Schule Seeleys und Carlyles. Es wuchs das Geschlecht heran, dessen Verkörperung Cecil Rhodes geworden ist: erfüllt von dem Ideal eines groß-englischen Reiches, wirtschaftlich teilnehmend an seinen Unternehmungen durch die Pfundaktie — die Trägerin des neubritischen Imperialismus, wie Georg von Siemens sie genannt hat (Schulze- Gaevernitz S. 132) —, neue Länder an sich reißend und alte sich wieder neu verbindend. So ging England wieder dazu über, seine alten Kolonien neu zu festigen und zu sichern, Afghanistan, Beludschistan und womöglich Persien als „Glacis" des neuen Kaiserreiches Indien zu erwerben und den Weg dorthin zu einem unangreifbaren zu machen; 4754000 englische Ouadratmeilen mit 88 Millionen Menschen wurden von 1870 bis 1901 den alten englischen Kolonien angegliedert (Hobson, Jmperialism, London 1905). So brachte es seine alten Kolonien wieder in geistige, politische, wirtschaftliche Verbindung mit dem Mutterland. Und es entstand das England unserer Tage.
Es ist notwendig gewesen, das Ideal des englischen Imperialisten, seine innere und äußere Entwicklung in kurzen Zügen anzudeuten, wie es hier im Anschluß an die Ausführungen von Schulze-Gaevernitz versucht worden ist, obwohl es sich in diesem Aufsatz nicht um den englischen Imperialismus, sondern