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Schuld?
hinüber. Unter der Tür auf der breiten Steinschwelle stand der Wirt und sah zu ihm hin.
'n Abend! rief Brandtner ihm zu.
Willst du rein? fragte der lange hagere Engelwirt zurück.
Ja, oder hast du was dagegen?
Ich ginge nicht, wenn ich du wär.
Der Holzfäller ncchms für Scherz.
Du machst einen feinen Wirt, jagst dir die Kunden selber weg. Und er setzte den Fuß auf den Türstein.
Ne, im Ernst. Der Wirt rührte sich nicht aus der Türöffnung. Brandtner stutzte.
Was ist denn los da drin? Denn nun hörte er viele und erregte Männerstimmen herausklingen.
Sie streiten.
Ach . . . Krakeel? Er zog den Fuß zurück. Nach so was stand ihm heute der Sinn nicht.
Das konntest du auch gleich sagen, Franz.
Der sah ihn so ein bißchen komisch an, und Brandtner ärgerte sich.
Du tust ja so hinterhältsch, wenn ich bloß wüßte, was du immer hast? Na, adjüS auch — und er ging weiter. Der Wirt gab den Gruß nicht zurück, und unwillkürlich wandte sich Brandtner noch einmal um, ob er wohl schon hineingegangen sei. Der lange Franz stand aber noch unter der Tür und sah ihm interessiert nach.
Heute is alles verquer! Und der müde Mann sehnte sich nach Hause und machte längere Schritte, bis er zu einer Reihe winziger Häuschen kam, den ältesten im Dorf, die unter ihren großen Dächern standen wie geduckt, und deren ganzes Mauerviereck nicht mehr umschloß als eine Stube zu ebner Erde und ein paar Kammern unterm Dach.
Das zweite in der Reihe bewohnte er. Schon stampfte er die drei Steinstufen hinauf, die von der hohlwegartigen Straße zur Tür führten, recht laut, daß die Frau ihn hören sollte. Er öffnete die äußere Tür, die in einen schmalen stockfinstern Flur führte, und tastete mit der Hand seitwärts nach der Stubentür, die er dann mit kräftigem Druck aufstieß.
Er hatte erwartet, Frau und Kinder um den weißgescheuerten Holztisch in der Mitte beim Abendbrot sitzen zu sehen. Doch in der Stube wars still. Nur die Frau saß in der Ecke drüben am Herd und schrak auf, als er hereintrat.
Wo hast du denn die Jungs?
Oben.
Schon?
Er ging zum Haken zwischen den beiden Fensterluken und hängte die Mütze an, und als er so der Frau den Rücken wandte, sagte sie: Ist das wahr, was Kändlers Lene jagt?
Kändlers Lene? wiederholte er und wußte erst gar nicht, wen sie meinte.
Da plötzlich tauchte ein Kindergesicht vor ihm auf mit altklugen Augen, mit Augen, die beobachteten und verstanden, und unruhig wandte er sich der Frau zu: Was hat sie gesagt?
Im ganzen Dorf erzählen sies rum, sie und die Kinder, du hättest den Hans noch kriegen können, du hättest dirs bloß nich getraut.
Also auch das noch.
Er ging zum Tisch, zog einen Stuhl heran und setzte sich schwerfällig. S-e hatte erwartet, er würde auffahren oder einfach lachen über das Kindergeschwätz, das dumme. Und nun? Er sagte nichts, und wie er dasaß!