Fünfundzwanzig Jahre Kolonialpolitik
m 24. April konnten wir die fünfundzwanzigjährige Jubelfeier unsrer Kolonialpolitik begehn. Am 24. April 1884 hat Bismarck den Grund zur Gründung unsrer ersten Kolonie gelegt, indem er die Landerwerbungen des Kaufmanns Lüderitz an der süd- westafrikanischen Küste bei Angra Pequena, heute Lüderitzbucht, unter den Schutz des Deutschcu Reiches stellte. Die zahlreichen alten Afrikaner und die erfreulicherweise jetzt ebenfalls zahlreichen sonstigen Kolonialfreunde haben mit Recht diesen Tag gebührend gefeiert. Auch die Presse hat ihn nicht vorübergehn lassen, ohne — je nach der Parteirichtung — bei dieser Gelegenheit wieder einmal festzustellen, daß wir stolz auf unsre Kolonien sein können und draußen ein achtungswertes Stück Kulturarbeit geleistet haben, "der in altgewohnter Weise die Schale des Zorns und Hohns über unsre Kolonialpolitik auszuschütten und — wie zum Beispiel das Blatt der Berliner Spießer, die Volkszeitung — kühnlich zu behaupte«: „Die einzige greifbare Frucht dieser viertelhundertjährigen Kolonialpolitik ist der Erwerb der Insel Helgoland, bei deren Eintausch wir Gott sei Dank wenigstens einen großen Fetzen Afrika losgeworden sind."
Nicht als ob wir diesem Blättchen irgendwelche ernsthafte Meinung zu- gestehn würden, wir zitieren es lediglich darum, um zu zeigen, daß es doch "och sonderbare Heilige gibt, die von Kolonialpolitik grundsätzlich nichts wissen Hollen und jeder Arbeit, für die man nicht sofort, wie für ein paar Stiefelsohlen, Bargeld bekommt, überhaupt für Unsinn erklären. Andrerseits soll dieses Beispiel zeigen, wie dünn gesät heute derartige Kolonialgegner sind, lvie tief der koloniale Gedanke doch in den letzten Jahren ins Volk gedrungen 'st- Denn abgesehen von den sozialdemokratischen Parteiblättern, die überhaupt keine eigne Meinung haben dürfen, sicherlich aber nicht die Meinung Grenzboten II 1909 28